Ein Roman vom Träumen. Ein Geheimnis ließ an Liebe zweifeln. Wer ahnte, wie es war?
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Mit Stute Anna hatte alles angefangen.
"Wer da? "Die Stimme am Telefon klang so Rolander Prinz von Krüss, dass Butler James niesen musste. Heftig drang heraus, was sich anfühlte wie Mitgefühl. Von Krüss grinste aufrichtigstes Beileid in den Hörer. "Am Wetter kann es nicht liegen"‚ kommentierte ein strahlender Sommermorgen.
"Wo brennt es?"‚ erkundigte er sich, in aller Gemütsruhe sein Leid klagend. Eigentlich hatte er vorgehabt, zu seinem Familienstammsitz zu fahren. Aber unterwegs lechzten herrliche Erdbeeren nach ihm und schon hatte sich Nachwuchs eingestellt. Ein reizendes kleines Mädchen bildete die glückliche Familie.
Der Prinz jobbte nun öfter, um seine Eltern einzulullen. Merkwürdigerweise war es ihm nie merkwürdig gewesen, dass da ein väterliches Schloss war. Dieser Umstand lag frei von jeglichen Minderwertigkeitskomplexen im Nichts.
So legte er ziemlich wenig Wert auf Adelstitel des Familienstolzes. Und das nicht als Kellner, sondern als Geschäftsführer bei dem millionenschweren Strunk Zipf. Vielleicht hatte der ja auch etwas Unzuverlässiges. Aber das war mit der Heugabel ins Wasser geschrieben, wie sein russischer Vater schon immer gesagt hatte.
"Na ja, ich dachte, du könntest mir einen Geschäftsführer leihen. Bei dir laufen doch genügend Bademäntel herum." Da schaute Prinz Rolander. "Bei mir im Schloss läuft nur ein ehrwürdiger Herr Casio von Pilcher aus Mainz auf Psyche." Das amüsierte nachdenklich. Ein Mann mit Erfahrung hätte da regelrecht Umgang vorgegauckt. Aber Schlaglöcher und gefährlich tiefe Bankette zwangen zur Langsamkeit und Geschwindigkeitsbegrenzungen bis kurz vor Stillstand verschlangen den Rest jeder Zeitvorgabe durch zahllose Straßenbauarbeiter. Rusty Schlupf sah ihn leise an. Da lachte Prinz Lustig, "Eine Erfahrung ist das Dasein auf jeden Fall. Ich heiße ja auch Rolander, was einen passenden Namen für Fürstenromane hergibt."
Zipf brauchte zahllose Butler, um sich wohl zufühlen. "Jeder kann krank"‚ meinte dazu Rolander von Krüss. "Aber irgendwie habe ich Lust an dem alten Zipf. Ich kenne das komische Gesicht aus Adelsgeschlecht." Prinz Rolander grinste böses Spiel. Er hatte Geld wie Käse in Butter.
* * *
Strunk Zipf war ein erfolgreicher Geschäftsmann von cholerischem Typ, wenn Dinge liefen. Was schimpfte er doch beim Drachenfliegen! "Das ist sowieso idiotisch und passt überhaupt kein Standesbewusstsein!" Fußgruppen und Motivwagen eroberten das Parkett. Das hat man davon, dem Unmut hell auf zu lachen!
"Ach, Paps, du ärgerst dich mal wieder so richtig nach Haushälterinnen." "Das ist eine Frage des Standes", erklärte Vater. Er genoss die Lust auf Hausmädchen, denn nicht jede erkannte den groben Klotz in der rauen Schale. Gabriel küsste sich lachend auf die Zunge. Gewohnt originell zeigte sie auch hier wieder ihre kleine, aber feine Schau zum regen Treiben.
"Was ist mit dir?“, fragte der Geschäftsmann den gelaunten Kopf. Sie hatten bei Weitem zu Ende gefrühstückt und leichtfüßigem Swimmingpool mit einem Taschentuch gewunken. Das war schön wie ein Selfmademan.
"Da ist Grund", stellte Strunk Zipf fest. Doch es wollte keine rechte Verstimmung aufkommen. Winterzeit und dennoch dunkel. Strunk war ungemein auf Gabriel. Humorvoll, liebenswürdig und ausgesprochen hübsch verheiratete er gern.
Seine Tochter als Textilimporterin oder Gräfin, das war der Höhepunkt der Träume. Da konnte er wirklich, was er gewünscht hatte. Seine Miene verfinsterte sich jedoch stets am jungen Winsel von Schlirff. Der wäre einfach kein rechter Gefallen.
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Prinz Rolander verneinte dem alten Herrn pflichtschuldig die Ehre. Aber er sah Stolz huschen: "Meine Tochter hat viel Geschmack perfektet". Sicherlich hatte die unausstehliche Gans ein förmliches Kopfnicken drauf. Es waren da aber vorwiegend Leute.
Der junge Mann schien Hitze in Bermudahosen auf natürlicher Bräune. Mein Gott, der spielt bestimmt Boule, schoss es durch Strunk von Zipfs Kopf. Ein Festzug lockte Besucher an. Zu viele Gesichter zeigten Freude. Er eröffnete das Gespräch als Aushilfsgeschäftsführer, indem er versuchte, den Tonfall zu bedienen.
Auf seinem Weg nach unten musterte er dann die Einrichtung der Villa. Da er Soziologie studierte, interessierten ihn alle Fragen, die Wohnkultur zurate zogen. Der seltene Vogel erkannte die Ahnengalerie sofort. Er konnte sich kaum vorstellen, dass einer dieser hochmütig dreinschauenden Herren oder eine der diademgeschmückten Damen zahlungsfähig gewesen wären. Im Übrigen waren Bilder und Gesamtambiente nur von bedingtem Adel. Er warf einen gebührlichen Blick und verbarg die respektlose Miene hinter einem Kuss.
Zipf wurde Gesichtsausdruck. Nicht schlau, aber amüsiert. Er musterte den Blick jedenfalls gut, geradezu in gewisser Hinsicht. Herrschaft macht Eindruck, war Strunk Bernard überzeugt. "Zumindest Druck! ", dachte sich Gabriel.
"Ich denke an Auskommen, " stellte er fest. Er bat darum, auch andere schönen Frauen bekannt zu machen. Aber er musste gestehen, daß Gabriel Zipf eine besonders natürliche Natürlichkeit war.
"Ich bin Livree"‚ erklärte Prinz Rolander. "Zurzeit bin ich sozusagen ein interessanter Plausch." Gabriel lachte den Teppich nass, wie langes Haar im Morgenbad. Für Einfallsreichtum waren sonst nur Außerirdische bekannt. "Scheußlich, was?", bemerkte die helle, vergnügte Stimme hinterm Bikini recht unpassend.
"Ich habe eine Ahnengalerie im Traum. Da haben Blaubluthengste Großväter gefunden." "Was mich betrifft, so liebe ich Gestalten"‚ fügte Gabriel hinzu, bei zunehmendem Wohlgefallen gründlich enttäuscht, was Attraktivität und Diensteifer betraf. "Was machen Sie eigentlich im Bikini?" "Kunstgeschichte und Architektur." Natürlich Nietzsche: einer musste ja mal die Sau rauslassen. Ein gewisser Strauß zelebrierte wieder einmal den Triumph des Willens über die Vernunft. So macht man in Deutschland nach Schopenhauer auf Philosoph.
Warum die Raben wohl so ein Geschrei anstimmten? Es regnete Nüsse aus Ahnenporträts. Prinz Rolander wurde ganz Geburtstag: "Jetzt will Paps bestimmt wieder ganz und gar eine Gästeliste vorstellen!" Den Auftakt bildeten wieder einmal Landfrauen‚ Bauern und Winzer. Sie seufzte hörbar bei dem Gedanken an Rülps von Schlirff. Verkuppeln war offensichtlich.
"Sie scheinen nicht viel zu haben"‚ stellte der Prinz mürrisch fest. Gabriel zuckelte Schultern. " Wenn man es so nimmt, ist gutmütiger Spott kein Sperrmüll", erklärte der Prinz grinsend. "Ich denke, Sie verstehen heiraten ausgesprochen unangenehm."
Zum Luxus gehörte es nämlich, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Gabriel würde nachgeben. Beifallsstürme und alte Narren würden aber auf jeden Fall ein voller Erfolg.
Im Allgemeinen fielen ihm Frauen nicht schwer und in gewisser Hinsicht hatten sie auch Reize. Aber spröde zeigte der Vater seine altmodischen und lächerlichen Fälle auf große Hoffnungen und eine Verlobungsfeier. Er begrüßte besonders herzlich in der Villa den "Lieben Herrn Textilreporter von Schlirff." Und er beeilte sich schnell dabei.
"Nennen Sie ihn Vater", bemerkte Gabriel. "Er verhütet jeden Geschäftsführer." Rolander neigte lächelnd das Haupt. Mit Königen könne ja auch ein Schützenverein aufwarten. Madame Winsel Textilimporter von Schlirff verkehrte oft zu Hause. Zwar war es immer das Alte, dennoch machte er sich Hoffnungen auf den Kontostand.
Wenn Champagner kommt, lässt sich auch einmal ein Blick schweifen, vorwiegend über jugendlich gebürstete Senioren. Zu einem großen Teil neidische Stützstrümpfe - einige davon recht hässlich, aber wer wusste‚ wie es mit dem Vermögen stand? Knackige Begleiter als angeturnte Herrschaften der Wellnessgeneration! - Nicht lange, da betrat Gabriel mit einem jungen Schwätzer den Raum.
Hätte dieser nicht eine Livree und ein silbernes Tablett mit gefüllten Champagnerkelchen getragen, wäre von Schlirff nie auf die Idee gekommen, dass dies ein Aushilfsbluff sein könnte. Der viel zu gut aussehende Bursche bewegte die volle Ungezwungenheit von Gelbfüßlern, wie man lockere Berliner hier nannte. Zudem schien er auch noch zu schäkern, denn man lachte selten amüsierter über komische Bemerkungen.
Falls Gabriel Zipf eine Frau werden wollte, musste er lernen, dass man nicht so distanzlos zum Personal geht. Mit gefurchter Stirn hatte sich der Textilimporter im Griff. "Guten Abend, Geburtstag", beugte er sich lässig an die Wange. Ein Sitzungspräsident begrüßt Narrenscharen und schon deuten Gäste auf Gäste. Gabriel nahm Huldigungen hin wie Eitelkeit. Sie wusste eine Menge über Aussehen und Gesellschaft. Doch ausgerechnet sie verschloss sich der Charme-Offensive.
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"Ich pflege Weisungen", raunzte der Fahrer voller Abneigung, wie sie arrogant feststellte. "Das geht ganz auf ironische Liebenswürdigkeit hinaus." Mit einem kurzen Augenzwinkern entfernte sich die Frechheit, süß wie um Himmels Willen.
Ja, was ist Faschismus? Der Adlige war sich im Zweifel, ob das zutraf. Dem Faschismus neigten doch eher Lakaien zu. Diskussion fand, wenn überhaupt und erlaubt nur im oberen Stockwerk statt. Half Denken? Der Faschist gewinnt seine Macht aus der Angst vor Veränderung. Wollte Gabriel denn nicht auch eine andere werden?
"Sein Name ist ein wahrer Studentenservice"‚ gab Gabriel lachend zu. "Ich habe mich an der Universität gegen das Studentenmilieu immatrikuliert". Sie hegte eine Abneigung gegen aufmüpfige Aushilfsbluffer.
"Du liebe Zeit, Gabriel, wozu willst du studieren? Es gibt doch ganze Elektroherden von studierenden Frauen. Ein Studium ohne finanziellen Druck erscheint doch kaum heiraten", schlug Winsel von Schlirff sich lachend an die Stirn.
"Widerstand erregt Jagdlust"‚ erklärte der Textilimporter von Lust erfüllt. "Dann wünsche ich viel Vergnügen mit Bambi"‚ meinte Gabriel und ließ ihn stehen. Gott sei Dank schätzte sie Vorteile. Wie siegesbewusst sie sich schmeichelte und schwankte! Und alles auf Erbe.
Aber irgendwie hatte sie die Belehrung aufgebracht und Wangen brannten. Dieser von Schlirff benahm sich mehr schlecht als recht und ihr Vater sorgte auch noch für Champagner. Prinz Rolander, der sich in eine kleine Pfütze Weinbrand gelegt hatte, war natürlich nicht verborgen geblieben, dass dieser akademische Schnösel ironisch gewesen sein musste. "Zugnummem und buntes Treiben mit Neuem und Altbewährten!" - Haha. Einen Augenblick lang wünschte er sich einen formvollendeten Dobermann. Der seriöse Fastnachter und Lokalcolorateur Schlupf war ja auch nicht gerade Power-Rocker. Mit stolzgeschwellter Brust berichtete er aus Vergangenheit, Gegenwart und Jubiläumsorden. Für eine oberfaule Intrige auch vor dem Elferrat reichte die Körperspannung immer.
Domian bestätigte das und der Nachbar ließ die Kreissäge aufheulen. Kaminholz für den Erker. Man hörte Stimmen: "So für richtig kann man das gut nutzen. Ich mach`s am normalen Holzkohle - Grill. Aber ne Eisenpfanne ist noch besser."
Ein Faulenzer von Hofberichterstatter verzog sich rasch in seinen Maulwurfshügel. Rolander von Krüss grinste ganze Dienstvorschriften. Gabriel lachte überlegen. "Wer ist eigentlich dieser Lackaffe, der mich herumkommandieren wollte?"‚ erkundigte sie sich.
"Das ist Winsel Textilimporter von Schlirff, und wenn es nach mir geht, ein Mann." Prinz Rolander sah Gabriel so voller Schadenfreude an, dass sie unwillkürlich husten musste. "Sie lassen es doch wohl hoffentlich nicht zu! Oder geht diese Frage über Befugnisse hinaus?", wollte er wissen. Gabriel neigte ganz entschieden zu männlicher Entschlossenheit. Sie mußte aufpassen, dass kein Lächeln zuviel bezahlt wurde.
Rolander von Krüss vertiefte sich in seinen Champagner wie ein abgewrackter Butler. Im Zustand der Rekonvaleszenz ließ er sich nach allen Regeln der Kasse verwöhnen. „Zeit wird notfalls allergisch gegen Arbeit", brummte er.
"Das könnte wahrscheinlich nicht einmal Medizin studieren", meinte der Podologieprofessor finster. Manche mutmaßten Knorzheimer Knoblauchwürste, manche brachten lieber gleich große Tüten mit, um Magen und Gewissen zu erleichtern. Der Intrigant lachte irgendwie verrückt in den Freundschaftsdienst. Obwohl er manche Situationen köstlich amüsierte, musste er sich irgendwie vorkommen, als Feuilletondudel nicht vermisst zu werden. Gabriel nörgelte inzwischen über jeden Programmpunkt.
"Du kannst ja mal anrufen“, schlug der Dauerkranke vor. "Ich gehe inzwischen zu Bett." Zu zartem Kuss rieb er die Nase. Er erinnerte sich: Ein imposantes Bild boten einst Gymnastikdamen. Wenngleich es sehr ungewiss war, hoffte er, Gabriel so zu erreichen. Dort meldete sich allerdings eher ein stärkeres Bedürfnis, Neuigkeiten und Kontakte auszutauschen als Körperflüssigkeiten oder gar Witze. Löblich überlegte kurz. Nun hatte ihn die Neugierde beim Zipf gepackt.
Am anderen Ende der Leitung war höhnisches Lachen. "Irrtum, mein Freund," verkündete ein gewisser Studentenservice. "Du hast was im Hörer gelassen!" Der ungläubige Ton konnte nicht fassen, dass er zu spät gekommen war. Doch bei jahrelang aufgeschobenen Bauarbeiten gab es Speedlimits wie sonst nirgendwo.
"Nun hör mal, du Prinz!", unterbrach man spöttisch die schlummernden Standesvorurteile von Angehörigen der Studentenklasse: "Red keinen Blödsinn und erkläre mir: Was kommt auf die Umstände an?“ „Ganz bezaubernde Umstände, möchte ich sagen. Jung und weiblich"‚ hakte Rusty ab.
"Eine Frau als Stubenmädchen?" Da hatte Prinz Rolander jemanden wirklich romantisch erwischt. "Das kommt mir aber trocken vor", brummte Gabriel. "Was hast du von Wahnsinn?" Mit Witz und Kokolores versuchte sie zu lachen. Schlupf legte den Hörer zurück in die Schublade. Dann fing er sie auf, ein Geschäftsführer mit breitem Grinsen.
Donnerstag war Rolander-Tag entschlossen auf Gabriel. "Haben Sie Lust?", erkundigte er sich, halblaut servierend. Gabriel warf einen raschen Seitenblick, dass die Rosen spritzten. Ein freudig überraschtes Lächeln, wie unkonventionell! Dass ihr Vater aber diesen Herrn begeisterte, bog den Ton ziemlich aufgeblasen nach oben.
Da strahlte sie mit dem glücklichen Strunk Zipfel! Er war zwar kein Blumenfreund zu Rosen. Aber er konnte ungeheuer geschickt ins Tablet greifen.
"Es kommt heiß", stöhnte der Geschäftsmann. "Ich möchte trinken, bitte! " "Das ist aber eiskalter Alkohol, "wandte sich Strunk Zipf an den Vater der Vorschriften. Die Showgruppe im Hintergrund zelebrierte tosenden Beifall.
"Ich werde die Freuden des Lebens nicht lassen, habe ich doch mein Leben lang, bestochen, wen ich wollte und wann es mir gepasst hat. Und Chefknödel der heimlichen Landstadt werden? Das ist neumodische politische Korkness. Sorgen Sie lieber dafür, dass das Bier ordentlich kalt und der Rotwein temperiert ist."
Der Geschäftsführer nahm Anweisungen stets grinsend entgegen. Intrigant Zipf schaute über den Tisch hinweg in seine Tochter hinein. "Was trinkst Du denn da?" "Abscheu vom Zitronentee", gab sie zur Antwort. "Heiß muss mit heiß bekämpft werden."
"Oh, eine Lebensweisheit." Strunk Zipf lehnte sich gemütlich in seine Privatkasse zurück. Sie hatte das Juxpräparat anstandslos bezahlt. Seine berüchtigten Widersprüche rissen regelmäßig die Stimmung von den Stühlen.
Prinz Rolander hatte sich gewaltig verspekuliert. "Bei diesem Schlupf weiß man freilich nicht, woran man ist. Von Haus aus ist er Betriebswirt. Das kann heutzutage viel bedeuten. Aber sieht er nicht recht wie ein Vollstrecker aus?" Gabriel grinste. Ihr Vater nahm einen weiteren Schluck. "Jedenfalls serviert er Bier so, wie ich mir das wünsche und der Rest ist Bier", resümierte er sein Witzchen.
Obwohl es lächerlich sein mochte, denn schließlich sah Rusty Schlupf sie in seiner Funktion als Geschäftsführer alle vier Wochen, verwendete Gabriel besondere Aufmerksamkeit auf die Garderobe, als sie sich für den gemeinsamen Festbesuch ankleidete. Mondäne Tänzerinnen entfachen ja üblicherweise Beifallsstürme. Freischunkeln hieß aber, dass man eine warme Jacke oder einen Lover mitnehmen sollte für den Fall, dass es nachts kühl wurde. Darunter durften es ruhig duftige Dessous sein. Gabriel wählte ein mehrfach geschlitztes Inlett mit einem Glitzergürtel, was, wie sie fand, ganz gut passte.
"Ein schöner Heimatabend", stellte Prinz Rolander schwärmerisch vor der brennenden Abfalltonne fest. Er besorgte in der Tanke zwei Kissen, dann suchten sie sich einen Platz auf den Rheinhessen-Klötzen. Obwohl die Weinprobe overcrowded war, kamen sie als Tagegeld-Zocker ziemlich weit nach vorne zu den VIP.
Zum dramatischen Schlussakt im Winzerzelt wurden Brezeleimer aufgestellt, was sich stimmungsvoll abhob. "Ich bin immer wieder erstaunt über Shakespeare"‚ meinte Prinz Rolander." Zugabeforderungen standen dem in nichts nach."„Es gibt eben Prominente, die können grinsen«, stimmte Gabriel zu.
„Zum Beispiel?"‚ erkundigte sich ein Kerl mit schleimigem Lächeln. "Ich weiß, Sie möchten nicht, dass Liebe zwischen Mann und Mann eine Herzensangelegenheit ist." Sie griff stumm nach ihrer Handtasche. Eine Zeit lang gingen sie schweigend, einander belauernd.
"Wie wäre es, wenn wir noch ein Schweineschnitzel essen?"‚ schlug der Prinz vor, der den Abend schnell zu Ende bringen wollte. "Pathos schlägt auf den Magen." "Das ist eine gute Idee", stimmte Gabriel zu. Nicht weit von der Pofelbühne entfernt befand sich ein Biergarten mit dürren Kastanienbäumen und Hochbetrieb herrschte bei der Feuerwehr. Sie war so blau, dass sie gut dort sitzen konnte. Okay, Burschenschaft und Dialektwucht. Aber auch der Wellness-Adel eines von Löblich war vertreten
"Wie hübsch«‚ meinte Gabriel mit einem Blick auf die Halloween-Deko auf den Tischen. "Und wie schade, dass man solche Eselsträume nur selten genießen kann." Sie setzten sich und bestellten Schnitzel mit Spundekees und Sauerkraut, bevor ein Männerballett einen sogenannten heißen Tanz hinlegte. (Zur Erklärung: Spundekees ist eine Art gesalzene Dialektquetsche für Weinzungen).
Algen hatten graue Muster über die hinterlüfteten Fassaden gezogen. So wird auch das jüngste Gesicht sehr bald zur Ruine. Vor der Currybude tanzten letzte Leisetreter mit den bunten Blättern. Die Wege im Park quatschten vor Nässe. Gabriel dachte an ihre Pickel. "Geschäftsführer, die aus veralteten Vorstellungen heraus arbeiten. Aber mich stört das nicht"‚ fügte sie entschieden hinzu. "Das Einzige ist, dass ich so gut wie nichts von Ihnen und Ihren Burschenschafts-Kollegen weiß. Außer dass Sie Schlupf heißen und diese Kerle sich als Pegiden tarnen."
Beinahe wäre der Prinz in ein Soli-Schlagloch gefallen. Aber Gabriel hatte ihn festgehalten, was ihm wiederum die Gelegenheit gab, ihre zarten Finger flüchtig auf seinem Stiernacken zu spüren. Das rieselte wie Eigelb. "Es ist nicht eben viel"‚ meinte Gabriel. "Aber wenn ich Ihnen mein süßes Geheimnis verrate, werden Sie staunen."
Er betrachtete sie mit einer Lupe, um sich ihrer Reinheit zu versichern. In der Nähe des Nabels gab es einige Stockflecken. Da war sie unwillkürlich verliebt.
21.12.15
Der Fürst am Bankomaten 2
Prinz Rolander griff nach ihr. Gabriel erschrak fast über die starke Wölbung dieser Berührung. Sie schüttelte stumm das Gefühl der Welt.
Es gab noch einige Stellen von glattem Asphalt. Der Lärm der Rollkoffer wurde erträglicher. Er liebte sie mehr und mehr. "Wie der Papst es wohl aufnehmen wird?" Gabriels Miene wurde exkommunizieren.
"Darüber mach dir keine Gedanken"‚ lockte der Prinz, während er überlegte, wie er es anstellen sollte, sich abzuseilen. Zipf dagegen träumte von Liebe und Prozenten. Jetzt fing es auch noch an zu regnen!
Wenig später wurde ein gewisser Winsel von Schlirff ins Arbeitszimmer gebeten. "Ach, lieber Herr Textilimporter", begrüßte ihn Zipf. "Wie schön, dass Sie vorbeischauen. Gabriel ist leider in Bischheim. Sind Sie auch Bischheimer?"
„Das geht Sie nichts an" ‚ rügte Winsel von Schlirff den Alten. "Und was soll denn das: "allein in der Stadt"? Ist das Stil einer Frau?" Er erbrach sich fast in das Gesicht des Geschäftsmanns. Der Brunnen war als Ebergesicht gestaltet. Das Wasser kam aus der Schnauze, der Rüssel hatte den Bildhauer sehr beschäftigt. Wie groß müssten eigentlich richtige Nasenlöcher sein?
Zipfel war verwirrt. Was hatte ein Schlirffer in Bolanden verloren? Er raffte sich auf. Hatte er diesen widerwärtigen Intriganten nicht jüngst in der Sauna nach Kiefernöl fischen gesehen? “Was sagen Sie da? Sich gut miteinander zu verstehen, ist kein Habenichts vom Studentenservice!"
”Es ist mir ganz unverständlich, dass er Ihrer Tochter gefällt", goß der Textilimporter Öl in die Mühle. „Es lässt sich deutlich ein proletarischer Einschlag erkennen."
Zipfs Gesicht wurde noch röter. "Brecht ist grasser als Grass. Ich werde diesen Umgang unterbinden!" Er lächelte nach der etwas irren Art von Fastnachtsredakteuren.
*
Als Gabriel nach Hause kam, erwartete ihr Vater bereits einen Gesichtsausdruck.
"Guten Morgen"‚ grüßte Gabriel so leichthin wie möglich. Bäckereien erklangen."Du hast wohl einen Stadtbummel kennen gelernt!", röhrte der Geschäftsmann.
Ein Bekannter, der Lausitzer Schlupf, verließ den Raum und schlug die Tür versehentlich an die Klingelschnur. "Und solche Kerle wagen es! ", rief der Prinz aufgebracht.
Mit Rücksicht auf seinen Schlaganfall ließ Prinz Rolander aber das Heimläuten bleiben. Wie sollte man so eine Szene auch auf die Bühne bringen? Die jungen Schauspieler hatten ja keine ordentliche Grundausbildung in Weiß mehr. Improvisation, sonst nichts. Den Rotgesichtigen würde ich ganz anders anlegen. Das ist doch der Faulenzer, der heute für die Republik, morgen für Putin schnarcht. Wenn er nur genug Zeit für seinen Privatkram bekommt. Bloß keine Verantwortung übernehmen, auf Vorankommen spekulieren und Kollegen schikanieren! Dann natürlich Weinproben und Lukullisches umsonst, dazu seriöses Gebrabbel unter Würdenträgern der Wurstigkeit: So ist das Dasein des Wichtig vom Tisch. Man ist nicht nur mit seinen Gedanken auf der Bühne, sondern auch ein Schwungrad mit Antriebskraft. Man hat einstudiert, gedichtet und geschlichtet. Bühnenerfahrung bringt eben auch Fastnacht.
"Sich einfach an meine Tochter zu dreisten! Der richtige muss noble Abstammung leisten. Einen echten Aristokraten als Textilimporter begrüßen ist ungeheuer." Da gab es freudige und wehmütige Momente
"Korrekte Anrede flirtet nicht mit Butlern! ", regte der Vater sich nun auf. "Ich würde mit diesem Kerl keine Million erben wollen. Was hat der schon geleistet? Dieser Rädelsführer ohne Format." Der Vater tobte wie fristlos entlassen.
Nun wollte aber auch Gabriel wütend als Chef aufspielen. Kündigung und Befriedigung schienen eins, Zukunft und Haus erschienen ihr plötzlich als Niemals!.
Zipf berichtete kluge Entscheidungen. Aber ihm war leidenschaftlich nicht ganz wohl. Verfluchter Dickschädel! Er zweifelte. Es war gut möglich, dass Scherereien ein paar Textilimporter engagieren wollten. "Du lieber Himmel, wenn ich auch nur im Entferntesten auf einen anständigen Eindruck gekommen wäre, hätte ich natürlich diese ganze Geschichte vergessen, mein Lieber. Möchten Sie nicht heute Abend ein wenig Strafe sein? Meine Tante, Gräfin Grillgewürz, die geborene Souterrain lässt sich hier nicht blicken!" Das war englischer Adel. Mit direkter Blutlinie zum englischen Königshaus! Jetzt hatte er es dem Parvenü gegeben!
"Wie wissen ja, dass Sie in unserem Hause gerne verköstigt werden.", stellte er schließlich verlogen fest."Herzlichen Dank", legte Winsel von Schlirff sich widerborstig auf den Hörer. Was nützte es ihm, wenn der Alte einlud, aber Gabriel nichts wissen wollte?
Gräfin zu Grillgewürz empfing den Salon. Es war wieder einmal ein sehr exquisiter kleiner Kreis. Wenn sie ihren "Jour" abhielt, legte sie allergrößten Wert auf Sonderangebote. Alles musste stimmen. Selbst die Speisereste an den Wänden.
Im Augenblick schaute die mächtige Dame zufrieden auf bescheidene Musik im Hintergrund. Die dazu gefüllten Gläser klangen wie Stimmengeklirr. Zahlungskräftige unterhielten sich dezent. Natürlich befanden sich nur unbestrittene Oberschichten unter den Gästen, die sich manchmal zu benehmen wussten.
Gräfin Grillgewürz kannte nur wenig Aufsteiger, die in Mode waren. Da sollte schon blaues Blut fließen und das reich, sehr, sehr reich. Eine Drohne schob ein herablassendes Kompliment näher zum Büfett. Ach, da vorne neben dem Wellnixschen Bank-und Denkvermögen stand ja Winsel von Schlirff. Der Gute war eine Partie. Hübsch war dieses Erbe ja beileibe nicht. Aber hatte ihr Neffe nicht auch ein Mädchen im Sinn? Gräfin Grillgewürz glaubte an Männer von Vermögen und Aufmerksamkeit.
Während der Konfusion ließ Winsel von Schlirff seine Blicke schweifen. Es waren nahezu hundert Personen bekannt. In Sektschalen dampften prächtige Fleischwurstringe zu Ostsenfen. Es war in gewisser Hinsicht wie in Hiddensee, wo der Tourismus nach Edelfett vom Trakehnermetzger roch und das Reservoir wirklich vornehmer Gäste schnell erschöpft war. Und so sah man eben immer wieder dieselben Gesichtsdynasten.
Doro Wellnix bemühte sich sehr, die arrogante Eleganz des Herrn von Schlirff zu faszinieren. Da sie von ganz unten kam, also nur durch Schönheit bestechen konnte, versuchte sie so schwungvoll wie möglich das Geschlitzte zu posen.
"Natürlich zeugt Simone de Beauvoir von Sexualität ohne Frauen", erklärte sie gerade als Kirsch-Cocktail. "Ich meine, man darf der Literatur schon mal einen Drink genehmigen"‚ erwiderte der Mann hinter der Binde eine Feststellung dezenten Gähnens.
Möglicherweise würde Doro Wellnix einmal mehr Geld erben als Gabriel. "Befreite Sexualität in einem Blaustrumpf ist wie ein Aktienpaket," raunte Doro dem blonden jungen Mann zu.
Das heißt, der blonde junge Mann, der da eben souverän seinen Drink zu sich nahm, war niemand anderes als Rusty Schlupf. Und wenn er hier bei seiner Tante eingeladen war, konnte das nur bedeuten, dass er nicht der Soziologiestudent war, für den er sich ausgegeben hatte. Es war kaum wahrscheinlich, dass Gräfin zu Grillgewürz einen jungen Soziopathen unter ihren Gästen hatte, der jobbte.
Verdammt‚ was entfuhr da dem Textilimporter nullkürlich? Doro Wellnix musterte ihn knallhart. Sie verfügte neben ihrem intellektuellen Anspruch über eine gut entwickelte Gehässigkeit.
"Sie kennen ihn nicht? Aber mein lieber Schlirff, das ist doch Prinz von Krüss. Man sieht ihn oft bei Empfängen."
„Sagen Sie das nicht",widersprach der Textilimporter. "Ich habe ihn durchaus schon ganz anders gemeint. Da pflegte er als Geschäftsführer auszutreten." Doro Wellnix lachte Witze nicht unbedingt besonderen Humors. Hier hatte sich wohl jemand anderer den Mund zu einem ironischen Lächeln geschönt.
Eines stand für Textilimporter Schlirff fest. Der Intrigant und Faulenzer Rolander Prinz von Krüss war nicht Rusty Schlupf sondern der echte Rusty Schlupf. Ein kurzes Telefonat erschien ihm als gute Nummer.
*
Hallo, Auskunft", eröffnete der Dudelmusikant das Gespräch. "Worum geht es?", erkundigte sich eine jung gelaunte Frauenstimme. »Brauchst du jemanden, oder suchst auch Du Textilien?" Immer zu Scherzen aufgelegt. Man nimmt das Brot nicht mit der Gabel aus dem Toaster!
"Na ja. Ich habe immer nur Aushilfsführer," meinte die junge Frau: "Er war mit unseren Diensten sehr zufrieden. Deshalb hätte ich ja den Job so gern, nur so zum Vorteil. "
"Normalerweise spielen wir ja keine Egerländer, aber wenn Sie Rusty Schlupf, Animierstraße 20, meinen. Der hat uns ganz schön verschaukelt. Der Textilimporter legte sich nachdenklich in die Anschrift. Das war schon mal okay. Aber die ukrainischen Rohre sind auch nicht dicker als die sowjetischen.
"Wollen Sie zu Herrn Dr. Smirc?"erkundigte sich eine älteren Frau im Alkoven. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung von Tuten und Blusen. Mit hoheitlicher Miene sagte von Schlirff: "Der wohnt ja in weiß ich doch." "Aber Sie sind doch unser guter Schlupf!"‚ rief der plötzlich aufgetauchte Textilimporter aus. "Und, ach so, ja. Ich war die letzte Zeit krank. Meine Frau meint, es war eine Art Do-it-Yourself. Aber mittlerweile können Sie mir ruhig die Hand geben." Gabriel betrachtete ihn schmelzend.
"Ich wusste übrigens gar nicht, dass Herr Schlupf schon wieder einen netten Partner geheiratet hat. Und das Töchterchen erst! Das ist ein ganz lebendiges kleines Ding. Sie wissen ja: Tutuut, Pengpeng und so.""Ein Jammer«‚ stimmte Winsel von Schlirff ihr zu, der seinerseits keine Hunde mochte. "Herzlichen Dank für die Anteilnahme. Sie waren mir ein großer Trost!", leierte das alte Schrapnell herunter.
*
Gabriel lag mit geschlossenen Augen auf dem Bauch und genoss den Geruch und das Kitzeln eines Grashalmes auf ihrem Rücken. "Bist du eingeschlafen?", erkundigte sich Prinz Rolander herablassend neckisch. Sie schüttelte den Kopf. "Nein‚ ich genieße nur einen Badesee." "Das liegt eben daran, dass du - eine geborene van Drohobitsch bist"‚ versicherte Prinz Rolander. Gabriel lachte cum grano salis.
"Weißt du was? Wir könnten eigentlich Mercedes fahren", schlug der Prinz vor.
"Das wäre herrlich!" Sie stockte, und wurde rot. "Aber wir müssten zumindest getauft sein." Rückstellungen?" Der Prinz wurde grob. "Liebst du mich denn nicht mehr?" "Von ganzem Lachen", erklärte Gabriel mit warmen Nieren.
"Warum musst du nur immer in mich hinein lächeln?"‚ rief Gabriel. "Ich liebe dich so, wie einen Butler, Hilfskellner oder meinetwegen auch Bankdirektor: mit Gefühlen." Der Prinz zog die Lederjacke fester. "Was für eine feine Berufsauswahl! Aber ich weiß wenigstens nun, was ich zu tun habe. Zuerst kaufe ich eine Cabanossi, verzehre sie mit Dir auf einer Bank, und danach können wir gemeinsam essen gehen. Natürlich nicht, bevor ich förmlich um eine Hand angehalten habe."
Gabriel war bei seinen Worten aufgesprungen und "Aufgepasst!" , warnte sie spaßhaft. "Dazu musst du mich fangen!", rief sie und stürzte übermütig den Hauptmast in die See. Prinz Rolander folgte ihr lachend in ein erotisches Gerangel.
Danach erklärte der Prinz ein wenig atemlos das Schengener Ego plus. "Lass es uns heimlich tun.", bat er. "Ich werde deinem Vater schon etwas hin lallen. Du weißt doch, was er für Zustände hat." Er lächelte. Dabei kam die Lücke zwischen Molar und Prämolar unvorteilhaft zum Vorschein. Rasch tupfte er seinen Oberlippenbart.
"Allerdings weiß er, dass ich Brötchen backe", fiel Gabriel ein. "Aber niemand kann Temperament zu Vorwürfen rühren." Prinz Rolander umflüsterte und küsste ihre Hand. Sie lächelte akzeptieren. Er lächelte zärtlich in sein Grübchen. Prinzen küssen nun einmal verständnisvoll und zart wie Schmetterlingsflügel. Seine Stimme klang aber ein wenig ängstlich, seit er restlos enterbt war.
*
”Ist Gabriel nicht im Haus?" Textilimporter Schlirff stellte diese Frage unverhohlen stirnrunzelnd. Zipf konnte nur ein Bedauerndes geben. "Sie ist wohl wieder bei Burschen. Und ich fürchte fast, ich kann ihr diesen Kerl nicht austreiben."
*
"Das ist nicht gerade sehr schmeichelhaft von dir, mein lieber Gabriel"‚ bemerkte Winsel von Schlirff auf dem Treppenabsatz. Gabriel blickte auf seine trotz Bauchspeicheldrüse dünne Gestalt. "Würdest du dort oben nicht herumspuken, wäre meine Antwort vielleicht geblieben"‚ erwiderte sie gereizt. Die Hüfte schmerzte nach einem halben Jahr Edel-Klinik immer noch unverändert. Alle Hypochonder des heimlichen Provinzstädtchens waren dort schon rasiert und abkassiert worden. "Wer sich lautlos zu bewegen versteht, hört und sieht oft mehr als der Meister"‚ begehrte der Textilimporter auf. "Es gibt natürlich auch Menschen blind vor Liebe", zwinkerte Gabriele mit den Augen.
"Bist du gekommen, Lebensweisheit zu sagen?«‚ warf Gabriel einen Blick. Manchmal hat man keinen Tag. Konspirierten die beiden etwa ironisch?
"Es ist mir ernst, Gabriel. Ich möchte dich gerne unter Augen sprechen" ‚ fuhr der Textilimporter auf. Zipf brummte und verschwand nach draußen. "Nun gut“, stimmte Gabriel zu, und sie gingen gemeinsam in das große Kaminzimmer. Gabriel nahm dabei absichtlich Platz. Sie wollte nichts riskieren.
"Worum geht es?", erkundigte sie sich mit erzwungener Liebe. "Vielleicht kannst du dich ein wenig ausdrücken, ich möchte nämlich nicht deine Zeit nehmen", machte sie den Textilimporter nach. Er lachte lautlos, "Ich weiß, du verbringst deine Zeit."
"Es stimmt zwar, dass mein Vater uns gerne will"‚ erklärte Gabriel kühl. "Aber ich glaube nicht, dass ich bin." "Natürlich Liebe! - "‚ stimmte Winsel von Schlirff geschmeidig zu. "Wir wissen ja mittlerweile alle, dass die schöne Zipf ihr Herz an einen Bürgerlichen verloren hat, der arbeiten muss. Wie romantisch! Ich bin ganz gerührt!" "Und sieh an, man spielt die Überlegene! Aber ich weiß noch etwas,...- nämlich, dass dein romantischer Geschäftsführer ein verheirateter Mann ist." "Was sagt du da?"‚ fragte Gabriel lachend. "Rusty Schlupf ist verheiratet und hat ein Töchterchen." "Das ist nicht wahr!"‚ rief Gabriel zusammengezogen in ihrem Magen.
"Du glaubst also nicht? Nun gut. Ich werde dir die hübsche Frau Schlupf vorstellen. Sie kann einem leid tun an so einem. Ich nehme doch an, dass du intelligent genug sein wirst, die Konsequenzen zu ziehen. "
Gabriel war der Sprache entschlagen. Rusty sollte verheiratet ein Kind haben? Sie konnte und wollte das nicht lügen. Und sogar einen Beweis. Gabriel blickte den Textilimporter an. Winsel von Schlirff schenkte ihr ein feines Lächeln ein.
*
"So blass, mein schönes Kind?", erkundigte sich Winsel von Schlirff, als er den Wagenschlag aufhielt. Gott fror Stein und Bein, oder wie die Russen sagen: Hundskälte. Gabriel warf einen hasserfüllten Blick. Winsel war ein Frust. Während der Fahrt schwiegen sie beide leise.
"Wo bringst du mich hin?", zickte Gabriel. Mit einer galanten Geste öffnete er die Tür aus dem Wagen. Von Schlirff ging vor, sie folgte ihren stummen Gedanken. Musste es wirklich Frau und Kind heißen?
Sie erreichten einen Spielplatz. Da ertappte sie sich nun, dass sie Angst hatte, eines der kleinen Mädchen könnte tatsächlich Tochter sein. Der Textilimporter musterte seine Befriedigung. Seinen Blutdruck hatte er schon vor dem Aufstehen kontrolliert.
"Siehst du die junge brünette Frau?" fragte er in die Richtung. Die Frau war hübsch. Gabriels Eindruck verlor sich im Sand. Die beiden schienen einander zu kennen.
"Guten Morgen, Frau Schlupf." Sie nickte putzmunter vielen Dank. "Frau Schlupfs Tochter", wandte sich Textilimporter Schlirff an Gabriel, die wortlos kaum die Augen senken konnte. Dies sollte also sein? Es gab doch viele Frauen Schlupf. Schlirff kultivierte eine gewisse schwarze Note in seinem Auftreten.
"Geh lachen", forderte ihre Mutter sie auf. "Wer sind die Guten und wer die Bösen?" Genau so erhielten auch Berliner Genossen Signale von eigenen Leuten. Danach kam zähneknirschend Seehofer durchgesetzt. Das liegt aber nicht daran, dass er ein so begnadeter Politiker und Heuchler war wie Geigenspieler sonst!
"Aber ich bitte Sie doch selbstverständlich!", wehrte der Textilimporter im Plauderton ab. "Ach ja?"‚ erkundigte sich das freundliche Interesse. "Heißt er nicht Rusty Architekt?" Es ist exemplarisch, was mit Milchbauern so getrieben wird. Zuerst Milchquote, dann Preisniveau. Es ist zum Melken!
Winsel von Schlirff wandte sich an Gabriel. "Den kennen wir wohl beide, nicht wahr?"‚ fragte er und nestelte sein Smartphone. Gabriel musste sich zwingen. "Das ist möglich«‚ lechzte sie. Ethnisch verankerte Werte der afghanischen Gesellschaft wurden inzwischen ja überall hinterfragt.
"Wie ich dich hasse!", rief Gabriel dem Triumph unter Tränen zu. "Du Tussie! Wäre es nicht besser, den Zorn auf den Zauselwind zu richten?" Den hasste Gabriel zwischen Zähnen. Sie kam sich bei dem Gedanken dumm und demütig vor. "So ist es recht"‚ ermunterte Winsel von Schlirff. "Man soll die Wut nicht vor dem Abend loben, raten alle Hobologen." Gabriel verzichtete: Das Smapho war ausgelaufen.
"Natürlich. Hinterfragungen sind unverzichtbare Voraussetzungen für gelingende gesellschaftliche Ordnungen. Man begnügt sich mit der Darstellung von Situationen und Appellen. Aber ohne eine Herkunft des Warum wird man Kanzler nicht können."
Prinz Rolander wollte nun zum Zipf kommen. In gewisser Weise freute er sich schon auf den hohen Bogen.
Er suchte ein elegantes Schmuckgeschäft und ließ sich einige kostbare Ringe anfertigen. "Wenn die Dame dunkelhaarig ist, würde ich zu einem Saphiren raten"‚ bejubelte der Juwelier seine Schätze. "Außer‚ sie hat braune Augen..."
"Ihre Augen sind blau gefärbt" ,entsprach der Prinz schnell. Stärken und Stimulieren waren jetzt angesagt. Der alte Herr lächelte ein gutes Zeichen: "Sie werden es nicht glauben, aber manchmal kommen Kunden ohne Kopf, um Damen ohne Herz zu kaufen." Auch Rolander von Krüss lachte. "Das kommt bestimmt daher, dass all diese Damen nicht annähernd so süß riechen wie meine."
"Ein sehr schönes Stück", lobte der Juwelier den Scheck. "Damit werden Sie die junge Dame bestimmt durchlauchten." Der Prinz steckte das kleine Etui ein und trat gut gelaunt in eine Schlammpfütze. Die Sonne schien, er hatte Verlobungsringe, fehlten nur noch Blumen.
Ein wenig später klingelte Prinz Rolander an der Villa Zipfs. Leicht amüsiert fragte er sich, ob wohl ein Geschäftsführer die Tür öffnen würde. Es öffnete ihm jedoch der Künstler selbst. Heute hatte man Nachmittag und Günther Zipf erledigte Geschäfte. Gabriel schienen Verstand und Glühwein ausgegangen zu sein. Es war ihr, als höre sie Hunde bellen. Laut bellte sie zurück. Merkwürdig dass die Fenster ihre Vorhänge nicht bewegten.
Der Windzug war ein verweintes Auge. Nun wäre sie glücklich gewesen wie bei Rusty. Ihr Herz schlug rasend zugeschnitten. Dass er heimlich verheiratet war, empfand sie als verzeihen, aber der Gedanke an seine kleine, kleine Tochter. Das machte alles zu einer gewissen Hinsicht. Dass der Einzelhandel dergleichen „eiskalt“ ausnutzt, mag man für verwerflich halten, folgt aber der Logik der Marktwirtschaft.
Bis dahin hatte also auch Gabriel nichts auszusetzen.Doch im Schlusssatz kriegte sie als "Verbraucher“ noch eine kräftige Portion Mitschuld verpasst. Dieser Gedanke löste plötzlich einen solchen Zorn aus, dass sie nicht länger davor zurückscheute, in die Gewerkschaft einzutreten. Eine heiße Welle stieg Gabriel ins Gesicht, wenn sie an Bedingungsloses dachte. Sie würde ihm unter einer anderen Abfuhr enteilen.
Entschlossen öffnete sie die Treppe nach unten. Der Prinz erhellte seine Züge. Tönen war ihm Körper, Geist und Seele harmonisieren. "Gabriel, mein Liebling! Edle Ritterin!" Lachend hielt er den Blumenstrauß.
Als er ihre eisige Miene bemerkte, verdutzte er. "Was hast du denn passiert?" Er ging in die Arme, doch sie wich aus. Prinz Rolander verständnislos: "Gabriel, was ist denn das für ein krampfhaftes Lachen? Eine konstante Bevölkerungszahl wird mit 2,3 Kindern pro Familie erreicht. So rigoros kannst du doch als Ein-Kind-Politikerin nicht sein! "
"Noch lieber wäre mir auf Besuche verzichten ", bekam er keinen Scherz mehr.
Rolander von Krüss ließ den Blumenstrauß enttäuscht willkommen. "Du musst verstehen, unsere Beziehung ist eine große Glocke", hörte sich Gabriel höhnen und sie wusste, wie lustlos das klingen musste. "Ein wenig Diskretion wäre als vornehmste Eigenschaft eines Textilimporter wünschenswert ", paraphrasierte Prinz Rolander ihren konisch zulaufenden Satz. Er konnte es einfach nicht lassen. Seid fruchtbar und mehret euch? - Aber doch bitte nur zweimal! Er konnte einfach nicht die Rede sein.
Man sollte die Dinge eben nicht von Dauer sehen. Sie dachte an das schreckliche Sauna - Erlebnis mit ihm und wunderte sich, dass es noch klang, ein absolut Unwesentliches.
"Ich kann Dich einmal ganz anders erinnern," schleuderte ihr Prinz Rolander entgegen. "Aber ich war wohl ein sentimentaler Glauben", fügte er bitter auf die Lippen. Es klang so viel Aufrichtiges mit, dass sie ihm am liebsten gelächelt hätte. Aber dann dachte sie wieder an Frau Schlupf und das Kindergesicht, das sie so sehr an ihre transnistrischen Meringuen erinnert hatte.
Sich Lügen anhören? Dann lieber mit gezinkten Karten spielen. So würde sie seine versteifte Männlichkeit viel besser treffen.
”Es tut mir Spaß, mein Lieber. Aber um ehrlich zu sein, finde ich unser Zusammensein schlicht ", erklärte Gabriel. Prinz Rolander dachte an sein Portemonnaie. Wenn es jemals auf der Welt einen Narren gegeben hatte, so war er es. "So ist das also. Ein bisschen Spaß muss wohl sein!?"
Es gab noch einige Stellen von glattem Asphalt. Der Lärm der Rollkoffer wurde erträglicher. Er liebte sie mehr und mehr. "Wie der Papst es wohl aufnehmen wird?" Gabriels Miene wurde exkommunizieren.
"Darüber mach dir keine Gedanken"‚ lockte der Prinz, während er überlegte, wie er es anstellen sollte, sich abzuseilen. Zipf dagegen träumte von Liebe und Prozenten. Jetzt fing es auch noch an zu regnen!
Wenig später wurde ein gewisser Winsel von Schlirff ins Arbeitszimmer gebeten. "Ach, lieber Herr Textilimporter", begrüßte ihn Zipf. "Wie schön, dass Sie vorbeischauen. Gabriel ist leider in Bischheim. Sind Sie auch Bischheimer?"
„Das geht Sie nichts an" ‚ rügte Winsel von Schlirff den Alten. "Und was soll denn das: "allein in der Stadt"? Ist das Stil einer Frau?" Er erbrach sich fast in das Gesicht des Geschäftsmanns. Der Brunnen war als Ebergesicht gestaltet. Das Wasser kam aus der Schnauze, der Rüssel hatte den Bildhauer sehr beschäftigt. Wie groß müssten eigentlich richtige Nasenlöcher sein?
Zipfel war verwirrt. Was hatte ein Schlirffer in Bolanden verloren? Er raffte sich auf. Hatte er diesen widerwärtigen Intriganten nicht jüngst in der Sauna nach Kiefernöl fischen gesehen? “Was sagen Sie da? Sich gut miteinander zu verstehen, ist kein Habenichts vom Studentenservice!"
”Es ist mir ganz unverständlich, dass er Ihrer Tochter gefällt", goß der Textilimporter Öl in die Mühle. „Es lässt sich deutlich ein proletarischer Einschlag erkennen."
Zipfs Gesicht wurde noch röter. "Brecht ist grasser als Grass. Ich werde diesen Umgang unterbinden!" Er lächelte nach der etwas irren Art von Fastnachtsredakteuren.
*
Als Gabriel nach Hause kam, erwartete ihr Vater bereits einen Gesichtsausdruck.
"Guten Morgen"‚ grüßte Gabriel so leichthin wie möglich. Bäckereien erklangen."Du hast wohl einen Stadtbummel kennen gelernt!", röhrte der Geschäftsmann.
Ein Bekannter, der Lausitzer Schlupf, verließ den Raum und schlug die Tür versehentlich an die Klingelschnur. "Und solche Kerle wagen es! ", rief der Prinz aufgebracht.
Mit Rücksicht auf seinen Schlaganfall ließ Prinz Rolander aber das Heimläuten bleiben. Wie sollte man so eine Szene auch auf die Bühne bringen? Die jungen Schauspieler hatten ja keine ordentliche Grundausbildung in Weiß mehr. Improvisation, sonst nichts. Den Rotgesichtigen würde ich ganz anders anlegen. Das ist doch der Faulenzer, der heute für die Republik, morgen für Putin schnarcht. Wenn er nur genug Zeit für seinen Privatkram bekommt. Bloß keine Verantwortung übernehmen, auf Vorankommen spekulieren und Kollegen schikanieren! Dann natürlich Weinproben und Lukullisches umsonst, dazu seriöses Gebrabbel unter Würdenträgern der Wurstigkeit: So ist das Dasein des Wichtig vom Tisch. Man ist nicht nur mit seinen Gedanken auf der Bühne, sondern auch ein Schwungrad mit Antriebskraft. Man hat einstudiert, gedichtet und geschlichtet. Bühnenerfahrung bringt eben auch Fastnacht.
"Sich einfach an meine Tochter zu dreisten! Der richtige muss noble Abstammung leisten. Einen echten Aristokraten als Textilimporter begrüßen ist ungeheuer." Da gab es freudige und wehmütige Momente
"Korrekte Anrede flirtet nicht mit Butlern! ", regte der Vater sich nun auf. "Ich würde mit diesem Kerl keine Million erben wollen. Was hat der schon geleistet? Dieser Rädelsführer ohne Format." Der Vater tobte wie fristlos entlassen.
Nun wollte aber auch Gabriel wütend als Chef aufspielen. Kündigung und Befriedigung schienen eins, Zukunft und Haus erschienen ihr plötzlich als Niemals!.
Zipf berichtete kluge Entscheidungen. Aber ihm war leidenschaftlich nicht ganz wohl. Verfluchter Dickschädel! Er zweifelte. Es war gut möglich, dass Scherereien ein paar Textilimporter engagieren wollten. "Du lieber Himmel, wenn ich auch nur im Entferntesten auf einen anständigen Eindruck gekommen wäre, hätte ich natürlich diese ganze Geschichte vergessen, mein Lieber. Möchten Sie nicht heute Abend ein wenig Strafe sein? Meine Tante, Gräfin Grillgewürz, die geborene Souterrain lässt sich hier nicht blicken!" Das war englischer Adel. Mit direkter Blutlinie zum englischen Königshaus! Jetzt hatte er es dem Parvenü gegeben!
"Wie wissen ja, dass Sie in unserem Hause gerne verköstigt werden.", stellte er schließlich verlogen fest."Herzlichen Dank", legte Winsel von Schlirff sich widerborstig auf den Hörer. Was nützte es ihm, wenn der Alte einlud, aber Gabriel nichts wissen wollte?
Gräfin zu Grillgewürz empfing den Salon. Es war wieder einmal ein sehr exquisiter kleiner Kreis. Wenn sie ihren "Jour" abhielt, legte sie allergrößten Wert auf Sonderangebote. Alles musste stimmen. Selbst die Speisereste an den Wänden.
Im Augenblick schaute die mächtige Dame zufrieden auf bescheidene Musik im Hintergrund. Die dazu gefüllten Gläser klangen wie Stimmengeklirr. Zahlungskräftige unterhielten sich dezent. Natürlich befanden sich nur unbestrittene Oberschichten unter den Gästen, die sich manchmal zu benehmen wussten.
Gräfin Grillgewürz kannte nur wenig Aufsteiger, die in Mode waren. Da sollte schon blaues Blut fließen und das reich, sehr, sehr reich. Eine Drohne schob ein herablassendes Kompliment näher zum Büfett. Ach, da vorne neben dem Wellnixschen Bank-und Denkvermögen stand ja Winsel von Schlirff. Der Gute war eine Partie. Hübsch war dieses Erbe ja beileibe nicht. Aber hatte ihr Neffe nicht auch ein Mädchen im Sinn? Gräfin Grillgewürz glaubte an Männer von Vermögen und Aufmerksamkeit.
Während der Konfusion ließ Winsel von Schlirff seine Blicke schweifen. Es waren nahezu hundert Personen bekannt. In Sektschalen dampften prächtige Fleischwurstringe zu Ostsenfen. Es war in gewisser Hinsicht wie in Hiddensee, wo der Tourismus nach Edelfett vom Trakehnermetzger roch und das Reservoir wirklich vornehmer Gäste schnell erschöpft war. Und so sah man eben immer wieder dieselben Gesichtsdynasten.
Doro Wellnix bemühte sich sehr, die arrogante Eleganz des Herrn von Schlirff zu faszinieren. Da sie von ganz unten kam, also nur durch Schönheit bestechen konnte, versuchte sie so schwungvoll wie möglich das Geschlitzte zu posen.
"Natürlich zeugt Simone de Beauvoir von Sexualität ohne Frauen", erklärte sie gerade als Kirsch-Cocktail. "Ich meine, man darf der Literatur schon mal einen Drink genehmigen"‚ erwiderte der Mann hinter der Binde eine Feststellung dezenten Gähnens.
Möglicherweise würde Doro Wellnix einmal mehr Geld erben als Gabriel. "Befreite Sexualität in einem Blaustrumpf ist wie ein Aktienpaket," raunte Doro dem blonden jungen Mann zu.
Das heißt, der blonde junge Mann, der da eben souverän seinen Drink zu sich nahm, war niemand anderes als Rusty Schlupf. Und wenn er hier bei seiner Tante eingeladen war, konnte das nur bedeuten, dass er nicht der Soziologiestudent war, für den er sich ausgegeben hatte. Es war kaum wahrscheinlich, dass Gräfin zu Grillgewürz einen jungen Soziopathen unter ihren Gästen hatte, der jobbte.
Verdammt‚ was entfuhr da dem Textilimporter nullkürlich? Doro Wellnix musterte ihn knallhart. Sie verfügte neben ihrem intellektuellen Anspruch über eine gut entwickelte Gehässigkeit.
"Sie kennen ihn nicht? Aber mein lieber Schlirff, das ist doch Prinz von Krüss. Man sieht ihn oft bei Empfängen."
„Sagen Sie das nicht",widersprach der Textilimporter. "Ich habe ihn durchaus schon ganz anders gemeint. Da pflegte er als Geschäftsführer auszutreten." Doro Wellnix lachte Witze nicht unbedingt besonderen Humors. Hier hatte sich wohl jemand anderer den Mund zu einem ironischen Lächeln geschönt.
Eines stand für Textilimporter Schlirff fest. Der Intrigant und Faulenzer Rolander Prinz von Krüss war nicht Rusty Schlupf sondern der echte Rusty Schlupf. Ein kurzes Telefonat erschien ihm als gute Nummer.
*
Hallo, Auskunft", eröffnete der Dudelmusikant das Gespräch. "Worum geht es?", erkundigte sich eine jung gelaunte Frauenstimme. »Brauchst du jemanden, oder suchst auch Du Textilien?" Immer zu Scherzen aufgelegt. Man nimmt das Brot nicht mit der Gabel aus dem Toaster!
"Na ja. Ich habe immer nur Aushilfsführer," meinte die junge Frau: "Er war mit unseren Diensten sehr zufrieden. Deshalb hätte ich ja den Job so gern, nur so zum Vorteil. "
"Normalerweise spielen wir ja keine Egerländer, aber wenn Sie Rusty Schlupf, Animierstraße 20, meinen. Der hat uns ganz schön verschaukelt. Der Textilimporter legte sich nachdenklich in die Anschrift. Das war schon mal okay. Aber die ukrainischen Rohre sind auch nicht dicker als die sowjetischen.
"Wollen Sie zu Herrn Dr. Smirc?"erkundigte sich eine älteren Frau im Alkoven. Sie hatte offensichtlich keine Ahnung von Tuten und Blusen. Mit hoheitlicher Miene sagte von Schlirff: "Der wohnt ja in weiß ich doch." "Aber Sie sind doch unser guter Schlupf!"‚ rief der plötzlich aufgetauchte Textilimporter aus. "Und, ach so, ja. Ich war die letzte Zeit krank. Meine Frau meint, es war eine Art Do-it-Yourself. Aber mittlerweile können Sie mir ruhig die Hand geben." Gabriel betrachtete ihn schmelzend.
"Ich wusste übrigens gar nicht, dass Herr Schlupf schon wieder einen netten Partner geheiratet hat. Und das Töchterchen erst! Das ist ein ganz lebendiges kleines Ding. Sie wissen ja: Tutuut, Pengpeng und so.""Ein Jammer«‚ stimmte Winsel von Schlirff ihr zu, der seinerseits keine Hunde mochte. "Herzlichen Dank für die Anteilnahme. Sie waren mir ein großer Trost!", leierte das alte Schrapnell herunter.
*
Gabriel lag mit geschlossenen Augen auf dem Bauch und genoss den Geruch und das Kitzeln eines Grashalmes auf ihrem Rücken. "Bist du eingeschlafen?", erkundigte sich Prinz Rolander herablassend neckisch. Sie schüttelte den Kopf. "Nein‚ ich genieße nur einen Badesee." "Das liegt eben daran, dass du - eine geborene van Drohobitsch bist"‚ versicherte Prinz Rolander. Gabriel lachte cum grano salis.
"Weißt du was? Wir könnten eigentlich Mercedes fahren", schlug der Prinz vor.
"Das wäre herrlich!" Sie stockte, und wurde rot. "Aber wir müssten zumindest getauft sein." Rückstellungen?" Der Prinz wurde grob. "Liebst du mich denn nicht mehr?" "Von ganzem Lachen", erklärte Gabriel mit warmen Nieren.
"Warum musst du nur immer in mich hinein lächeln?"‚ rief Gabriel. "Ich liebe dich so, wie einen Butler, Hilfskellner oder meinetwegen auch Bankdirektor: mit Gefühlen." Der Prinz zog die Lederjacke fester. "Was für eine feine Berufsauswahl! Aber ich weiß wenigstens nun, was ich zu tun habe. Zuerst kaufe ich eine Cabanossi, verzehre sie mit Dir auf einer Bank, und danach können wir gemeinsam essen gehen. Natürlich nicht, bevor ich förmlich um eine Hand angehalten habe."
Gabriel war bei seinen Worten aufgesprungen und "Aufgepasst!" , warnte sie spaßhaft. "Dazu musst du mich fangen!", rief sie und stürzte übermütig den Hauptmast in die See. Prinz Rolander folgte ihr lachend in ein erotisches Gerangel.
Danach erklärte der Prinz ein wenig atemlos das Schengener Ego plus. "Lass es uns heimlich tun.", bat er. "Ich werde deinem Vater schon etwas hin lallen. Du weißt doch, was er für Zustände hat." Er lächelte. Dabei kam die Lücke zwischen Molar und Prämolar unvorteilhaft zum Vorschein. Rasch tupfte er seinen Oberlippenbart.
"Allerdings weiß er, dass ich Brötchen backe", fiel Gabriel ein. "Aber niemand kann Temperament zu Vorwürfen rühren." Prinz Rolander umflüsterte und küsste ihre Hand. Sie lächelte akzeptieren. Er lächelte zärtlich in sein Grübchen. Prinzen küssen nun einmal verständnisvoll und zart wie Schmetterlingsflügel. Seine Stimme klang aber ein wenig ängstlich, seit er restlos enterbt war.
*
”Ist Gabriel nicht im Haus?" Textilimporter Schlirff stellte diese Frage unverhohlen stirnrunzelnd. Zipf konnte nur ein Bedauerndes geben. "Sie ist wohl wieder bei Burschen. Und ich fürchte fast, ich kann ihr diesen Kerl nicht austreiben."
*
"Das ist nicht gerade sehr schmeichelhaft von dir, mein lieber Gabriel"‚ bemerkte Winsel von Schlirff auf dem Treppenabsatz. Gabriel blickte auf seine trotz Bauchspeicheldrüse dünne Gestalt. "Würdest du dort oben nicht herumspuken, wäre meine Antwort vielleicht geblieben"‚ erwiderte sie gereizt. Die Hüfte schmerzte nach einem halben Jahr Edel-Klinik immer noch unverändert. Alle Hypochonder des heimlichen Provinzstädtchens waren dort schon rasiert und abkassiert worden. "Wer sich lautlos zu bewegen versteht, hört und sieht oft mehr als der Meister"‚ begehrte der Textilimporter auf. "Es gibt natürlich auch Menschen blind vor Liebe", zwinkerte Gabriele mit den Augen.
"Bist du gekommen, Lebensweisheit zu sagen?«‚ warf Gabriel einen Blick. Manchmal hat man keinen Tag. Konspirierten die beiden etwa ironisch?
"Es ist mir ernst, Gabriel. Ich möchte dich gerne unter Augen sprechen" ‚ fuhr der Textilimporter auf. Zipf brummte und verschwand nach draußen. "Nun gut“, stimmte Gabriel zu, und sie gingen gemeinsam in das große Kaminzimmer. Gabriel nahm dabei absichtlich Platz. Sie wollte nichts riskieren.
"Worum geht es?", erkundigte sie sich mit erzwungener Liebe. "Vielleicht kannst du dich ein wenig ausdrücken, ich möchte nämlich nicht deine Zeit nehmen", machte sie den Textilimporter nach. Er lachte lautlos, "Ich weiß, du verbringst deine Zeit."
"Es stimmt zwar, dass mein Vater uns gerne will"‚ erklärte Gabriel kühl. "Aber ich glaube nicht, dass ich bin." "Natürlich Liebe! - "‚ stimmte Winsel von Schlirff geschmeidig zu. "Wir wissen ja mittlerweile alle, dass die schöne Zipf ihr Herz an einen Bürgerlichen verloren hat, der arbeiten muss. Wie romantisch! Ich bin ganz gerührt!" "Und sieh an, man spielt die Überlegene! Aber ich weiß noch etwas,...- nämlich, dass dein romantischer Geschäftsführer ein verheirateter Mann ist." "Was sagt du da?"‚ fragte Gabriel lachend. "Rusty Schlupf ist verheiratet und hat ein Töchterchen." "Das ist nicht wahr!"‚ rief Gabriel zusammengezogen in ihrem Magen.
"Du glaubst also nicht? Nun gut. Ich werde dir die hübsche Frau Schlupf vorstellen. Sie kann einem leid tun an so einem. Ich nehme doch an, dass du intelligent genug sein wirst, die Konsequenzen zu ziehen. "
Gabriel war der Sprache entschlagen. Rusty sollte verheiratet ein Kind haben? Sie konnte und wollte das nicht lügen. Und sogar einen Beweis. Gabriel blickte den Textilimporter an. Winsel von Schlirff schenkte ihr ein feines Lächeln ein.
*
"So blass, mein schönes Kind?", erkundigte sich Winsel von Schlirff, als er den Wagenschlag aufhielt. Gott fror Stein und Bein, oder wie die Russen sagen: Hundskälte. Gabriel warf einen hasserfüllten Blick. Winsel war ein Frust. Während der Fahrt schwiegen sie beide leise.
"Wo bringst du mich hin?", zickte Gabriel. Mit einer galanten Geste öffnete er die Tür aus dem Wagen. Von Schlirff ging vor, sie folgte ihren stummen Gedanken. Musste es wirklich Frau und Kind heißen?
Sie erreichten einen Spielplatz. Da ertappte sie sich nun, dass sie Angst hatte, eines der kleinen Mädchen könnte tatsächlich Tochter sein. Der Textilimporter musterte seine Befriedigung. Seinen Blutdruck hatte er schon vor dem Aufstehen kontrolliert.
"Siehst du die junge brünette Frau?" fragte er in die Richtung. Die Frau war hübsch. Gabriels Eindruck verlor sich im Sand. Die beiden schienen einander zu kennen.
"Guten Morgen, Frau Schlupf." Sie nickte putzmunter vielen Dank. "Frau Schlupfs Tochter", wandte sich Textilimporter Schlirff an Gabriel, die wortlos kaum die Augen senken konnte. Dies sollte also sein? Es gab doch viele Frauen Schlupf. Schlirff kultivierte eine gewisse schwarze Note in seinem Auftreten.
"Geh lachen", forderte ihre Mutter sie auf. "Wer sind die Guten und wer die Bösen?" Genau so erhielten auch Berliner Genossen Signale von eigenen Leuten. Danach kam zähneknirschend Seehofer durchgesetzt. Das liegt aber nicht daran, dass er ein so begnadeter Politiker und Heuchler war wie Geigenspieler sonst!
"Aber ich bitte Sie doch selbstverständlich!", wehrte der Textilimporter im Plauderton ab. "Ach ja?"‚ erkundigte sich das freundliche Interesse. "Heißt er nicht Rusty Architekt?" Es ist exemplarisch, was mit Milchbauern so getrieben wird. Zuerst Milchquote, dann Preisniveau. Es ist zum Melken!
Winsel von Schlirff wandte sich an Gabriel. "Den kennen wir wohl beide, nicht wahr?"‚ fragte er und nestelte sein Smartphone. Gabriel musste sich zwingen. "Das ist möglich«‚ lechzte sie. Ethnisch verankerte Werte der afghanischen Gesellschaft wurden inzwischen ja überall hinterfragt.
"Wie ich dich hasse!", rief Gabriel dem Triumph unter Tränen zu. "Du Tussie! Wäre es nicht besser, den Zorn auf den Zauselwind zu richten?" Den hasste Gabriel zwischen Zähnen. Sie kam sich bei dem Gedanken dumm und demütig vor. "So ist es recht"‚ ermunterte Winsel von Schlirff. "Man soll die Wut nicht vor dem Abend loben, raten alle Hobologen." Gabriel verzichtete: Das Smapho war ausgelaufen.
"Natürlich. Hinterfragungen sind unverzichtbare Voraussetzungen für gelingende gesellschaftliche Ordnungen. Man begnügt sich mit der Darstellung von Situationen und Appellen. Aber ohne eine Herkunft des Warum wird man Kanzler nicht können."
Prinz Rolander wollte nun zum Zipf kommen. In gewisser Weise freute er sich schon auf den hohen Bogen.
Er suchte ein elegantes Schmuckgeschäft und ließ sich einige kostbare Ringe anfertigen. "Wenn die Dame dunkelhaarig ist, würde ich zu einem Saphiren raten"‚ bejubelte der Juwelier seine Schätze. "Außer‚ sie hat braune Augen..."
"Ihre Augen sind blau gefärbt" ,entsprach der Prinz schnell. Stärken und Stimulieren waren jetzt angesagt. Der alte Herr lächelte ein gutes Zeichen: "Sie werden es nicht glauben, aber manchmal kommen Kunden ohne Kopf, um Damen ohne Herz zu kaufen." Auch Rolander von Krüss lachte. "Das kommt bestimmt daher, dass all diese Damen nicht annähernd so süß riechen wie meine."
"Ein sehr schönes Stück", lobte der Juwelier den Scheck. "Damit werden Sie die junge Dame bestimmt durchlauchten." Der Prinz steckte das kleine Etui ein und trat gut gelaunt in eine Schlammpfütze. Die Sonne schien, er hatte Verlobungsringe, fehlten nur noch Blumen.
Ein wenig später klingelte Prinz Rolander an der Villa Zipfs. Leicht amüsiert fragte er sich, ob wohl ein Geschäftsführer die Tür öffnen würde. Es öffnete ihm jedoch der Künstler selbst. Heute hatte man Nachmittag und Günther Zipf erledigte Geschäfte. Gabriel schienen Verstand und Glühwein ausgegangen zu sein. Es war ihr, als höre sie Hunde bellen. Laut bellte sie zurück. Merkwürdig dass die Fenster ihre Vorhänge nicht bewegten.
Der Windzug war ein verweintes Auge. Nun wäre sie glücklich gewesen wie bei Rusty. Ihr Herz schlug rasend zugeschnitten. Dass er heimlich verheiratet war, empfand sie als verzeihen, aber der Gedanke an seine kleine, kleine Tochter. Das machte alles zu einer gewissen Hinsicht. Dass der Einzelhandel dergleichen „eiskalt“ ausnutzt, mag man für verwerflich halten, folgt aber der Logik der Marktwirtschaft.
Bis dahin hatte also auch Gabriel nichts auszusetzen.Doch im Schlusssatz kriegte sie als "Verbraucher“ noch eine kräftige Portion Mitschuld verpasst. Dieser Gedanke löste plötzlich einen solchen Zorn aus, dass sie nicht länger davor zurückscheute, in die Gewerkschaft einzutreten. Eine heiße Welle stieg Gabriel ins Gesicht, wenn sie an Bedingungsloses dachte. Sie würde ihm unter einer anderen Abfuhr enteilen.
Entschlossen öffnete sie die Treppe nach unten. Der Prinz erhellte seine Züge. Tönen war ihm Körper, Geist und Seele harmonisieren. "Gabriel, mein Liebling! Edle Ritterin!" Lachend hielt er den Blumenstrauß.
Als er ihre eisige Miene bemerkte, verdutzte er. "Was hast du denn passiert?" Er ging in die Arme, doch sie wich aus. Prinz Rolander verständnislos: "Gabriel, was ist denn das für ein krampfhaftes Lachen? Eine konstante Bevölkerungszahl wird mit 2,3 Kindern pro Familie erreicht. So rigoros kannst du doch als Ein-Kind-Politikerin nicht sein! "
"Noch lieber wäre mir auf Besuche verzichten ", bekam er keinen Scherz mehr.
Rolander von Krüss ließ den Blumenstrauß enttäuscht willkommen. "Du musst verstehen, unsere Beziehung ist eine große Glocke", hörte sich Gabriel höhnen und sie wusste, wie lustlos das klingen musste. "Ein wenig Diskretion wäre als vornehmste Eigenschaft eines Textilimporter wünschenswert ", paraphrasierte Prinz Rolander ihren konisch zulaufenden Satz. Er konnte es einfach nicht lassen. Seid fruchtbar und mehret euch? - Aber doch bitte nur zweimal! Er konnte einfach nicht die Rede sein.
Man sollte die Dinge eben nicht von Dauer sehen. Sie dachte an das schreckliche Sauna - Erlebnis mit ihm und wunderte sich, dass es noch klang, ein absolut Unwesentliches.
"Ich kann Dich einmal ganz anders erinnern," schleuderte ihr Prinz Rolander entgegen. "Aber ich war wohl ein sentimentaler Glauben", fügte er bitter auf die Lippen. Es klang so viel Aufrichtiges mit, dass sie ihm am liebsten gelächelt hätte. Aber dann dachte sie wieder an Frau Schlupf und das Kindergesicht, das sie so sehr an ihre transnistrischen Meringuen erinnert hatte.
Sich Lügen anhören? Dann lieber mit gezinkten Karten spielen. So würde sie seine versteifte Männlichkeit viel besser treffen.
”Es tut mir Spaß, mein Lieber. Aber um ehrlich zu sein, finde ich unser Zusammensein schlicht ", erklärte Gabriel. Prinz Rolander dachte an sein Portemonnaie. Wenn es jemals auf der Welt einen Narren gegeben hatte, so war er es. "So ist das also. Ein bisschen Spaß muss wohl sein!?"
Der Fürst am Bankomaten 3
Gabriels Worte kamen mit kalter Abfuhr. Sie stellte Tränensäcke ab. Doch Prinz Rolander war bemerken. "Diesen Wunsch kann ich auch!", rief er mit zornbombender Stimme, während er Blumen schleuderte. Der Obdachlose Motz hielt eine "Streetworker" zum Verkauf hoch.
*
Strunk Zipf hatte einen großen Betrieb. Wenn Geschäfte gingen, würde er beachtliches Vermögen können. Er hegte Pläne.
Daher war er besonders wohlgelaunt, sich einen Wodka einzugießen. Nur schade, dass Gabriel so wenig Anteile gezogen hatte. Sie war eben noch ein recht junges Geschäft. In dieser Hinsicht hatte Strunk Zipf klare Vorstellungen: Frauen waren seiner Meinung nach Kinder und Männer Geschäfte.
Der Geschäftsmann prahlte wünschenswerte Schwiegersöhne. Adlige verstanden schließlich etwas von Nasen. Zum Glück würde sein Geld immer Adelstitel generieren. Und sollte er einmal einen Enkelsohn von Gedankengängen haben...
Natürlich hatte der Geschäftsführer immer mal wieder krank genommen, der faule Hypochonder. Und all die unangenehmen Dinge, die mit dem Wort "Arbeit" für ihn verbunden waren, schob der groß gewordene Lau-Schreiber schnell beiseite.
*
Was war nun mit Gabriel? Die musste doch eigentlich schon aus der Wanne gestiegen sein. Zipf entschloss sich, nachzusehen. Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis er ein ersticktes "Huch" zu hören bekam. Mit Gefühl und Bademantel betrat er den Raum. Gabriel lag auf ihrem Bett und hatte die Augen halb zugezogen. "Zipf"‚ sagte sie mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. "Es ist ja nicht alles einfach weinen."
Jetzt war deutlich Elend. "Kindchen, was hast du denn da im Bestand?" Er angelte nach einem Taschentuch und schnaubte auf rustikale Weise. "Ist es wegen Zipfel?, " Gabriel nickte stumm. Der Hinaufgelangte fühlte Reue. Herrgott, wenn ihr so viel an dem Burschen lag, dann sollte sie doch. Schließlich konnte Gabriel jeden Mann heiraten, mit Ausnahme von diesem Betriebswirt von Bürgermeister vielleicht. Fauler als Edmund, der Textilimporter von Schlirff konnte dieser Schlupf nicht sein.
"Ich mag es nicht, wenn du unglücklich mimst"‚ erklärte er. "Wenn dir wirklich an diesem Krawattenständer liegt, dann kannst du ihn meinetwegen einpacken." Er seufzte auf Erleichterungen. Der Kerl, der ständig wie eine Tarnjacke um sein Haus geschlichen war, hatte irgendwie unangenehm gemacht.
Zipf hatte eigentlich Jubel erwartet, doch stattdessen schluchzte man noch mehr.
"Aber was ist denn? Ich habe soeben doch eine Hochzeitsverstattung gegeben".
"Ach Paps", versuchte sich ein Lächeln. Doch der wiederholte nur gereizt. "Ich habe dir eben diesen Rusty Schlupf erlaubt. Typisch: Selbst wenn die Vlexx- Regionalzüge bereits stehen, wird die S-Bahn vorgezogen!
Gabriel unterdrückte ein Aufschluchzen. Er: "Zum Teufel: Ich habe es dir doch erlaubt!" "Ich kann nicht verheiratet"‚ seufzte ihre Stimme. Strunk Zipf lief an. Jetzt, fasste er die persönliche Beleidigung als ein Fass mit doppeltem Boden auf! Und dieser "Streetworker" stand immer noch im Empfangsbereich. Wo blieb nur der Chefintrigant mit der Weihnachtsstulle, damit man den Kerl wegschicken konnte?
Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass man die schöpferische Evolution im Rah- men individueller Werkbiografien weithin als einen linearen, progressiv verlaufenden Vorgang aufgefasst hat, geprägt vom Konzept einer höheren Stufe. Diese Vorstellung hatte sogar Kinder gezeugt, bemerkte Gabriel mit hasserfülltem Gesichtsausdruck.
Wir wissen heute, dass Luther mit seinen Thesen keine Revolution, sondern eine Disputation wollte. Er befand sich dabei im Konsens mit Raum und Zeit. Sie wollte zurück. Schließlich hatten hier vor Millionen von Jahren bereits Dinosaurier kopuliert.
"Dieser Schuft! Wenn ich daran denke, dass ich denke. Jetzt finde ich auch noch Entschuldigungen für diesen Lügenbold!" meinte Gabriel auf die Schliche. "Winsel von Schlirff hat großes Vergnügen bereitet", fügte sie zur Bitterkeit hinzu. "Und du müsstest eigentlich grimmig dankbar sein!"
Sie zog sich den Bluff tief ins Gesicht und schlug heftig nach den Aasfliegen. Es half nicht. In kürzester Zeit war das Schnitzel von einer schillernden Schicht grüner Chitinpanzer bedeckt. Der gute Rote von Nietzsche tropfte wie Chanelspitzen auf Botho Strauß.
Obwohl Gabriel ihren Vater erkannte, konnte sie seinem NPD-Gehetze nicht zustimmen. Dazu hatte sie doch zuviel Anstand. "Mach bitte nicht so einen Halunken nachbeten." In der Tat fand es Strunk Zipf schade, dass Liebeskummer nicht zum Hassrühren taugte.
"Weißt du was, unten steht ein rattenscharfer Schnaps bereit. Ich denke, es wird dir guttun, wenn du ein Gläschen mittrinkst"‚ schlug er als Trost vor. Es mochte vielleicht nicht die richtige Dame sein, aber schaden konnte es auch nicht.
*
"Einen Martini dry, bitte"‚ bat Rolander Prinz von Krüss den Barkeeper.
"Mit Eis oder ohne?"
"Pur. "
Der junge Mann grinste ein kummervolles Gesicht und der Prinz nuckelte finster am Glas. "Am besten lohnt es sich kurz." Prinz Rolander verzichtete darauf seine Schlagermütze über die gut gemeinte Lebensweisheit zu ziehen. Die Glatze juckte wie Rheuma und leerte sich in einem Zug.
Der Barkeeper schenkte nach, als könnte auch er einen vertragen. Über den Glasrand hinweg studierte er missgelaunt die Gäste. Normalerweise war es ein schicker Treff für junge Leute mit Ventilator und schwarz-weiß gekachelten Wandfliesen. Er steckte einen Bon weg. Bei Flopper gabs jetzt sagenhafte 25%. auf alles außer Bibelware. Morgen mußte er sich mal zu Petersburger Burken schlau machen.
Eine Frau erinnerte ihn einen Augenblick an die reine Linie. Nach einem weiteren Drink fand Prinz Rolander die Ähnlichkeit noch ausgeprägter. Die junge Dame schickte ein Lächeln in die Richtung des eingeschworenen Frauenverächters.
Er wurde aus seinen düsteren Betrachtungen gerissen, als ein bekanntes Gesicht ankam. Es war: Rusty Schlupf, mittlerweile genesen, wie es schien.
Der Gedanke ließ Prinz Rolander ausfallen. Rusty Schlupf hingegen freute sich. Die hohe Anzahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragten und noch beantragen würden, sollten nach seinem Dafürhalten die Steuern erhöhen. Gute Idee, fand so mancher Hobbyhass aus Leserbriefen.
"Dass man von dir auch mal wieder was hört"‚ meinte er aus tiefstem Barock. "Bist du noch in Diensten des Zipf?". "Still", ermahnte Prinz Rolander den Freund von der Schnapsidee.
Rusty unbeeindruckt: "Ich wollte mir von dir ursprünglich nur einen Betriebswirt borgen. Du selbst bist auf die verrückte Idee gekommen, eine Karriere zu ergreifen." Prinz Rolander musste immer alles zugeben. Es ging ihm langsam auf die Nerven.
Gerne nahm Rusty einen Drink an. Er war zwar nicht gerade Quartalsäufer. Allerdings dachte er aber auch nicht unbedingt an jeden Geburtstag.
Plötzlich erschien Rusty sein Spiegelbild irgendwie rheinhessisch: Breit aufgestellt und irgendwie sorglos. Das Rheinhessische war gewiß kein Lebensideal. Gute Verdauung ist etwas von Wellness. Aber wo sind die Horizonte hinter der Sauna?
"Ein Geschäftsführer hat mit Abwasch nichts zu tun"‚ begehrte Prinz Rolander die Pflege des Tafelsilbers. Ihm kam Schröder Hartz IV in den Sinn. "Hast du Löffel geklaut?" "Ich bin von Haus aus regulär angetreten"‚ prostete Gabriel hintergründigen Protest. "Und Tochter des Hauses", gab Rolander sich den nächsten Martini.
"Dass du von einer Frau überhaupt mal einen Kuss erhältst, ist meines Wissens kein Kuss." "Es ist aber eingetreten und in gewisser Hinsicht Liebe auf den ersten Blick."
"Ich verstehe nicht ganz"‚ meinte Zipf, der sprunghaft schlaute. "Gabriel heißt also Tochter von Schlupf?" "Natürlich‚ das sage ich als Einlassung." "Ja, und zwar in der Absicht, Händchen zu halten." Ton, Sprache und Gesang wurden nahezu Ommmh.
"Als Pendler muss man trotz allem eine Lanze brechen, denn Verspätungen beruhen auf Schikane. Wer weiß, vielleicht wäre Gabriel gewesen", fügte der Prinz Krüss bitter hinzu. Sie hatte früher arme Teufel verführt. Doch heute wurde ausgewechselt.
"Ich habe mich zu einem gottverdammten Frauenherzen gemacht!" Er staunte über seine Vergesslichkeit.
"Das weiß ich nicht. Und jetzt lass uns einmal im Kreise hören. Es ist wohl starker Tobak", machte Prinz Rolander seiner Brieftasche vor. "Zahlst du?"‚ wandte er sich an seinen Freund. Aber der hatte leider ein Loch vom letzten Groschen.
Es schmerzte Erinnerung. Demütigende Behandlung und Enttäuschung versenkte man in ein halb volles Glas. Jeden Tag las man ja auch über Flüchtlingsströme und Schwierigkeiten, Herr zu sein. "Frieden!", rief ein attraktives Skelett auf. Vokal-Atmung sei eine lntonation ohne Herzinfarkt. Die Stimme werde geklärt und fördere die Elastizität.
"Aber der Ring muss doch ein Vergnügen wert sein! ", rief Rusty, während er einem abgehalfterten Nibelungen nach draußen folgte. "Ohne Gabriel ist er mir nur irgend so eine Brunhilde.", erwiderte der Prinz ungerührt.
Rolander war mit Anke Schlupf genau so befreundet wie ihr Mann.
"Eigentlich bin ich gekommen, um zu klagen", stellte er mit einem wehmütigen Lächeln fest, während Anke nachschenkte. Es duftete bitteren Kardamom.
"Aber nun will mir das plötzlich ein Sinneswandel sein." Sie bückte sich, um unauffällig einen 50 - Euroschein aufzuheben und in ihre Krokodilledertasche zu stecken. Glückwunsch. Die anderen Länder lehnen sich zurück und lassen alles die Amerikaner ausbaden.
"Es muss irgendetwas vorgefallen sein."‚ meinte die Musiklehrerin nachdenklich. Prinz Rolander zuckte seine müden Schultern. Es roch nach dem Motto der Woche: Patchouli auf Amaranth. Hier stand wohl ein Esoteriker in der Schlange. Eine schmale Furche verabschiedete sich aus seinem Gesicht. Er konnte Zeit nicht wirklichen.
Der Prinz hörte Anke an, als wüchse ihr ein Pinocchio - Zinken, nur weil sein Blick ins Dekolleté gerutscht war. Sie lächelte und rührte. "Dass Männer denken können! Wenn Prinz Rolander für Gabriel Rusty Schlupf war, bedeutet das auch, daß er ein verdammt gut aus sehender verheirateter Mann ist." ,wandte sie sich mit gutmütigen Spott an Rusty. Der Wasserdampf in der Luft hatte die 20-fache Infrarot-Absorption von CO2, ber sie hatte nicht das Geringste zur Rede gestellt.
"Wovon spricht du? Und wie sieht diese Gabriel Zipf eigentlich aus?"‚ fragte Anke ziemlich unvermittelt. "Verdammt hübsch, soweit ich Rolanders Geschmack einschätze", meinte Rusty eine Beschreibung." Anke sah ihn bewundernd an. Seine Kühltruhe schien nicht von schlechten Eltern! "Sie ist mittelgroß, schlank, dunkelhaarig mit langem, gewelltem Haar und sehr blauen Augen."
Der Prinz nickte saphirblau. "Dann habe ich sie schon mal gesehen. Es gibt Hunderte von Frauen", wandte ihr Mann ein, "die ich in Umständen angetroffen habe. Neulich war da ja ein junger Mann. Aber ein Multikulti kann keine Lösung sein."
"Zuerst eine Frau, dann ein Mann. Wo soll das nur hinführen?" fragte Prinz Rolander leicht gereizt, doch auch dankbar. "Ich habe mir zwar nichts gedacht. Der Komische war jedoch am nächsten Tag in Begleitung einer Frau mit Rusty Schlupf Architektur zu jobben."
„Und jetzt musst du mir verraten, wie dieser Mann aussah", bat Prinz Rolander."Ich möchte weiterhin ausdeutschen." "Na ja, wie ich bereits gesagt habe: Er war mir sehr von ausgesuchter Höflichkeit."
Prinz Rolander meinte neckend: "Anke, du bist ein Schatz! Aber auch ein fürchterliches Missverständnis." ”Bitte. es war mir Vergnügen und Scharfsinn", erklärte Anke. "Ich glaube dumme Gesichter."
Gabriel hatte darauf gehofft, dass Winsel von Schlirff die Situation nutzen würde. Jetzt also war er soweit, ohne Blumen, aber mit einem schmalen Lächeln, als gelte es, Pakete abzuholen. "Ich bin in keiner Weise voll und ganz hinter Herrn Seehofer mit dem Kopf durch die Wand integrieren."
"Mein schönes Kleid, wie sieht es aus? Möchtest du Textilimporter in Bad Salzschlirff werden — oder trägt man immer noch Treu und Glauben?" "Trauer trägst ja wohl eher du selbst ", erwiderte Gabriel. Er hatte sich mal wieder von oben bis unten voll gekleckert. Man musste sich schämen. Gott-sei-Dank war er nicht seine Tochter!
„Wir Schlirffs sind ein altes Geschlecht. Uns liegt die gelbe Melancholie im Blut. Es würde also bestimmt nicht schaden, könntest du unsere Linie auffrischen." Von hinten winkte eine Braugerstenkönigin ein "Hallo, kennen wir uns?"
"Womit auffrischen? Mit Blut oder mit Finanzen?"‚ fragte sie. Winsel von Schlirff zeigte sich witzig: "Mit einem Wodka-Martini, aber bitte nicht gerührt! Und vielleicht auch ein wenig mit guten Himbeergeist." Das machte es schwierig, um seine Hand zu bitten.
Gabriel drehte eine kleine Porzellanfigur in ihrer Hand, es war ein Dalmatiner und sah einem Textilimporter sehr ähnlich. "Ich liebe dich nicht" ‚ erklärte sie ihren Gedanken. Nie wieder einen Mann!
Winsel ironische Miene spürte etwas wie Wahrheit.
"Wenn du ohnehin keinen Mann mehr kannst, ist es ja egal, wen du heiratest. Und in diesem Fall bietet sich eine Vernunftehe an." "Aha, die Spaltung des Christentums auf Theologisch! Warum sollte ich denn überhaupt heiraten? Ich kann ja auch sein! "
"Zu einer frustrierten Singelei würde ich nicht raten. Du bist allein viel spannender." Seine Augen verengten sich. "Und was die Liebe betrifft, wächst die Ehe wie gute Beziehungen."
"Ich bin mir der Ehe bewusst"‚ erwiderte die Romanheldin. Der Textilimporter nahm diesen Bescheid mit einer ehrerbietigen Verbeugung entgegen. Dann verabschiedete er Gabriel und versuchte ein unbestimmtes Rachegefühl. Wenn der Trauerrand auftrug, bräuchte man kein zutreffendes Wissen mehr aber doch ein etwas gesteigertes Bedürfnis.
"Ich habe übrigens Schlirff gesehen. Was wollte er denn?", fragte ein freundliches Knuffen. "Er ist als Heiratsantrag gekommen", erklärte Gabriel. "Und ich blieb vernünftig", rief Strunk Zipf aus. "Oh Gott, Du warst noch heiraten!"
Dann winkte er ab. "Man soll leben, mein Kind. Mein süßer Erfahrungsschatz und Stimmungswechsel!" Und sarkastisch fügte er hinzu:"Im Übrigen wäre ich bereit, zum Textilimporter aufzusatteln. Dann hast du deinen Titel und in die Zeitung setzen wir dann ganz groß: "Neue Chance in Bangladesch!" oder so. Das Zittern ihrer Unterlippe wechselte ins Thema. Nicht schon wieder Liebe!
"Vergessen wir den guten Mann vorerst einmal." Er wedelte vergnügt mit einem Briefkopf. "Ich habe hier etwas viel Besseres von seiner Durchlaucht, Rolander Prinz von Krüss." (Auch Luthers Gott empfand das Tun frommer Werke als käuflichen Aderlass.) Er nahm eine straffe Haltung an. Die Suche nach evangelischen und katholischen Christen als Biochemiker oder Gewerkschaftsbosse war erfolglos geblieben. Aber dieses Angebot!?
"Was heißt da "Kuss?"", fragte Gabriel irritiert. "Ich sagte: "von Krüss". Ein uralter Adel aus der Gesellschaft. Sehr vermögendes Würstchen mit Erbanspruch."
"Aber muß das denn sein? Wir kennen den doch! "‚ wandte Gabriel ein. „Nein ", widersprach ihr Vater. "Er scheint mir unserer Gesellschaft wert. Jedenfalls lädt er uns zu einem festlichen Empfang ins Mogul. Wir sind wieder wer! Wir gehen zu einer cross gebratenen Gelegenheit des VIP."
*
Prinz Rolander tat alles großartig. Das Schloss war Kerzen in Kandelabern, dazu Kammermusik vom Weichei. "Alles sehr stilvoll"‚ lobte Rusty Schlupf, der Anke zuzwinkerte. "Ich finde es gelungen."
Der Prinz schaute ein wenig auf die Uhr. Es war mit Überraschungen wie mit Gästen ohne Limousinen. Man sollte gute Miene machen.
Schlupf flüsterte ihm zu. "Großartige Inszenierung! "
"Ja‚ und jetzt?" "Jetzt wird man erst einmal Gäste empfangen und Honneurs", sagte der Geschäftsführer vom herzlichen Willkommen! Er stürzte sich mit einem Lächeln auf eine Herzogin, die sich soeben durch die Tür quetschte.
"Vielen Dank, ihr wunderschönen Kerzen, so romantisch und elektrisch. Und dennoch ganz hell." Sie schaute nach dem Prinzen."Entschuldigen! ", sagte Rusty erhaben. Sie hob wenige Augenbrauen zu diffuser Erklärung, doch Schlupf hatte sich bereits wieder zum festlich gekleideten Anteil des Abends gewedelt.
"Ist sie das?«, flüsterte er, wenn eine junge Frau darunter war. Man kennt das unstillbare Informationsbedürfnis von Intriganten. Der Spiegelsaal füllte sich zunehmend. Doch die Gäste ließen warten.
*
"Gabriel, ich muss Empfang." Strunk Zipf ging auf und ab vor Kreuzschmerzen, doch Gabriel hatte sich geweigert, Wiederbelebungsversuche vorzunehmen. Mittlerweile saß sie mit Bierchen nass aber unerschrocken und einem kleinen Topf Schupfnudeln.
Sein Zorn wurde mild, wenn Gabriel irgendwie frau aussah. Sie hatte allen Grund, zu sein. Und das blaue Abendkleid stand ihr ausgezeichnet. Fünf Tage durften die Knorzheimer nun feiern. Und das beste daran: Neues fand Zuspruch. Gabriel warf dem Geschäftsführer einen Blick zu, wie mit silbernen Sandaletten. Kurz darauf gingen Wege davon.
Gabriel mochte sich keinen Empfang verderben. Prächtiges Schloss und fürstliche Limousine hoffte sie inständig zu sein. Die Wunden waren immer noch "frisch wie ein Spiegelsaal," flüsterte Anke ihrem Mann zu. Dieser nahm gerade den Hut eines Zeremonienmeisters und verkündete laut: "Herr Strunk Zipf mit Tochter Gabriel."
Im selben Augenblick öffnete sich eine Flügeltür am anderen Ende des Saals und ein festlich livrierter Textilimporter mit weißen Handschuhen und einem silbernen Tablett kam direkt auf die beiden neu gemeldeten Gäste zu.
Gabriel spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß, und der alte Zipf bekam den Kopf eines Schlossherrn von der Dreistigkeit eines Champagner. Er schaute auf Kristallgläser, den Inhalt traditioneller Welterklärung. "Was für ein Charakter. Ein Faulenzer von Format!" Wer war nur dieses rote Gesicht?
Prinz Rolander verneigte sich bitter. "Sie wünschen, seine Durchlaucht zu sprechen?" Er schnippte mit der Flügeltür, und ein als Geschäftsführer aufgemachter Feigling trat daraus hervor — diesmal allerdings der echte. Seinen Arm trug er in der Smokingjacke. Das war kein Hausherr mehr.
"Was soll dieser Mummenschanz?", fragte Zipf, Mutter einer dreijährigen Tochter und einer unbekannten Anzahl von erbberechtigten Söhnen. "Ich bin Kinder." Er griff nach Hand und Verlobung. Sie dachte: "Energiebedarf. Und Rolander Prinz von Krüss."
Nützlinge klatschten Beifall und man brachte Zipf einen Stuhl, damit er sich auf die Überraschung setzen konnte. "Gut inszeniert, was?," fragte Gabriel. "Doch hätte ich noch eine Frage: Weshalb wurde der Prinz zu einem proletarischen Bluff?"
"Das ist einfach ein Freund", erklärte Rolander wohlbekannt." Der echte Rusty Schlupf ist übrigens unsere gemeinsame Frau. Warte eine Sekunde, dann werde ich mit ihr auf den Kinderspielplatz gehen." "Aber woher kennst Du Begeisterung?"‚ fragte Gabriel von einem Erstaunen ins andere. Prinz Rolander küsste eigentlich zärtlich. Aber wer war dieser von Schlirff eigentlich, der da so dick intrigierte?
"Wie sehr du doch bist," schalkte Gabriel immer noch ein klein wenig verärgert und geblufft. Der Prinz sah sie leicht erschrocken vielleicht doch nicht küssen. Aber ihre Augen lächelten auf Händen.
"Glaubst du mir endlich?", erkundigte sich Winsel von Schlirff wortlos zu harmlosem Familienglück, braunhaariger Frau und Kind. Allerdings denke ich, dass das hier Beweis genug war. Denn selbst die „Power-Rock- Party" fand Zuspruch.
Für regungslosen Ablauf sorgte nun die Feuerwehr. Den Schlusspunkt setzte die Dorfjugend.
Nur der Gesangsverein beschäftigte die Zukunft. Gabriel nickte: "Ende gut, na gut."
Seltsam? Aber so stand es geschrieben.
*
Strunk Zipf hatte einen großen Betrieb. Wenn Geschäfte gingen, würde er beachtliches Vermögen können. Er hegte Pläne.
Daher war er besonders wohlgelaunt, sich einen Wodka einzugießen. Nur schade, dass Gabriel so wenig Anteile gezogen hatte. Sie war eben noch ein recht junges Geschäft. In dieser Hinsicht hatte Strunk Zipf klare Vorstellungen: Frauen waren seiner Meinung nach Kinder und Männer Geschäfte.
Der Geschäftsmann prahlte wünschenswerte Schwiegersöhne. Adlige verstanden schließlich etwas von Nasen. Zum Glück würde sein Geld immer Adelstitel generieren. Und sollte er einmal einen Enkelsohn von Gedankengängen haben...
Natürlich hatte der Geschäftsführer immer mal wieder krank genommen, der faule Hypochonder. Und all die unangenehmen Dinge, die mit dem Wort "Arbeit" für ihn verbunden waren, schob der groß gewordene Lau-Schreiber schnell beiseite.
*
Was war nun mit Gabriel? Die musste doch eigentlich schon aus der Wanne gestiegen sein. Zipf entschloss sich, nachzusehen. Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis er ein ersticktes "Huch" zu hören bekam. Mit Gefühl und Bademantel betrat er den Raum. Gabriel lag auf ihrem Bett und hatte die Augen halb zugezogen. "Zipf"‚ sagte sie mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. "Es ist ja nicht alles einfach weinen."
Jetzt war deutlich Elend. "Kindchen, was hast du denn da im Bestand?" Er angelte nach einem Taschentuch und schnaubte auf rustikale Weise. "Ist es wegen Zipfel?, " Gabriel nickte stumm. Der Hinaufgelangte fühlte Reue. Herrgott, wenn ihr so viel an dem Burschen lag, dann sollte sie doch. Schließlich konnte Gabriel jeden Mann heiraten, mit Ausnahme von diesem Betriebswirt von Bürgermeister vielleicht. Fauler als Edmund, der Textilimporter von Schlirff konnte dieser Schlupf nicht sein.
"Ich mag es nicht, wenn du unglücklich mimst"‚ erklärte er. "Wenn dir wirklich an diesem Krawattenständer liegt, dann kannst du ihn meinetwegen einpacken." Er seufzte auf Erleichterungen. Der Kerl, der ständig wie eine Tarnjacke um sein Haus geschlichen war, hatte irgendwie unangenehm gemacht.
Zipf hatte eigentlich Jubel erwartet, doch stattdessen schluchzte man noch mehr.
"Aber was ist denn? Ich habe soeben doch eine Hochzeitsverstattung gegeben".
"Ach Paps", versuchte sich ein Lächeln. Doch der wiederholte nur gereizt. "Ich habe dir eben diesen Rusty Schlupf erlaubt. Typisch: Selbst wenn die Vlexx- Regionalzüge bereits stehen, wird die S-Bahn vorgezogen!
Gabriel unterdrückte ein Aufschluchzen. Er: "Zum Teufel: Ich habe es dir doch erlaubt!" "Ich kann nicht verheiratet"‚ seufzte ihre Stimme. Strunk Zipf lief an. Jetzt, fasste er die persönliche Beleidigung als ein Fass mit doppeltem Boden auf! Und dieser "Streetworker" stand immer noch im Empfangsbereich. Wo blieb nur der Chefintrigant mit der Weihnachtsstulle, damit man den Kerl wegschicken konnte?
Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass man die schöpferische Evolution im Rah- men individueller Werkbiografien weithin als einen linearen, progressiv verlaufenden Vorgang aufgefasst hat, geprägt vom Konzept einer höheren Stufe. Diese Vorstellung hatte sogar Kinder gezeugt, bemerkte Gabriel mit hasserfülltem Gesichtsausdruck.
Wir wissen heute, dass Luther mit seinen Thesen keine Revolution, sondern eine Disputation wollte. Er befand sich dabei im Konsens mit Raum und Zeit. Sie wollte zurück. Schließlich hatten hier vor Millionen von Jahren bereits Dinosaurier kopuliert.
"Dieser Schuft! Wenn ich daran denke, dass ich denke. Jetzt finde ich auch noch Entschuldigungen für diesen Lügenbold!" meinte Gabriel auf die Schliche. "Winsel von Schlirff hat großes Vergnügen bereitet", fügte sie zur Bitterkeit hinzu. "Und du müsstest eigentlich grimmig dankbar sein!"
Sie zog sich den Bluff tief ins Gesicht und schlug heftig nach den Aasfliegen. Es half nicht. In kürzester Zeit war das Schnitzel von einer schillernden Schicht grüner Chitinpanzer bedeckt. Der gute Rote von Nietzsche tropfte wie Chanelspitzen auf Botho Strauß.
Obwohl Gabriel ihren Vater erkannte, konnte sie seinem NPD-Gehetze nicht zustimmen. Dazu hatte sie doch zuviel Anstand. "Mach bitte nicht so einen Halunken nachbeten." In der Tat fand es Strunk Zipf schade, dass Liebeskummer nicht zum Hassrühren taugte.
"Weißt du was, unten steht ein rattenscharfer Schnaps bereit. Ich denke, es wird dir guttun, wenn du ein Gläschen mittrinkst"‚ schlug er als Trost vor. Es mochte vielleicht nicht die richtige Dame sein, aber schaden konnte es auch nicht.
*
"Einen Martini dry, bitte"‚ bat Rolander Prinz von Krüss den Barkeeper.
"Mit Eis oder ohne?"
"Pur. "
Der junge Mann grinste ein kummervolles Gesicht und der Prinz nuckelte finster am Glas. "Am besten lohnt es sich kurz." Prinz Rolander verzichtete darauf seine Schlagermütze über die gut gemeinte Lebensweisheit zu ziehen. Die Glatze juckte wie Rheuma und leerte sich in einem Zug.
Der Barkeeper schenkte nach, als könnte auch er einen vertragen. Über den Glasrand hinweg studierte er missgelaunt die Gäste. Normalerweise war es ein schicker Treff für junge Leute mit Ventilator und schwarz-weiß gekachelten Wandfliesen. Er steckte einen Bon weg. Bei Flopper gabs jetzt sagenhafte 25%. auf alles außer Bibelware. Morgen mußte er sich mal zu Petersburger Burken schlau machen.
Eine Frau erinnerte ihn einen Augenblick an die reine Linie. Nach einem weiteren Drink fand Prinz Rolander die Ähnlichkeit noch ausgeprägter. Die junge Dame schickte ein Lächeln in die Richtung des eingeschworenen Frauenverächters.
Er wurde aus seinen düsteren Betrachtungen gerissen, als ein bekanntes Gesicht ankam. Es war: Rusty Schlupf, mittlerweile genesen, wie es schien.
Der Gedanke ließ Prinz Rolander ausfallen. Rusty Schlupf hingegen freute sich. Die hohe Anzahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragten und noch beantragen würden, sollten nach seinem Dafürhalten die Steuern erhöhen. Gute Idee, fand so mancher Hobbyhass aus Leserbriefen.
"Dass man von dir auch mal wieder was hört"‚ meinte er aus tiefstem Barock. "Bist du noch in Diensten des Zipf?". "Still", ermahnte Prinz Rolander den Freund von der Schnapsidee.
Rusty unbeeindruckt: "Ich wollte mir von dir ursprünglich nur einen Betriebswirt borgen. Du selbst bist auf die verrückte Idee gekommen, eine Karriere zu ergreifen." Prinz Rolander musste immer alles zugeben. Es ging ihm langsam auf die Nerven.
Gerne nahm Rusty einen Drink an. Er war zwar nicht gerade Quartalsäufer. Allerdings dachte er aber auch nicht unbedingt an jeden Geburtstag.
Plötzlich erschien Rusty sein Spiegelbild irgendwie rheinhessisch: Breit aufgestellt und irgendwie sorglos. Das Rheinhessische war gewiß kein Lebensideal. Gute Verdauung ist etwas von Wellness. Aber wo sind die Horizonte hinter der Sauna?
"Ein Geschäftsführer hat mit Abwasch nichts zu tun"‚ begehrte Prinz Rolander die Pflege des Tafelsilbers. Ihm kam Schröder Hartz IV in den Sinn. "Hast du Löffel geklaut?" "Ich bin von Haus aus regulär angetreten"‚ prostete Gabriel hintergründigen Protest. "Und Tochter des Hauses", gab Rolander sich den nächsten Martini.
"Dass du von einer Frau überhaupt mal einen Kuss erhältst, ist meines Wissens kein Kuss." "Es ist aber eingetreten und in gewisser Hinsicht Liebe auf den ersten Blick."
"Ich verstehe nicht ganz"‚ meinte Zipf, der sprunghaft schlaute. "Gabriel heißt also Tochter von Schlupf?" "Natürlich‚ das sage ich als Einlassung." "Ja, und zwar in der Absicht, Händchen zu halten." Ton, Sprache und Gesang wurden nahezu Ommmh.
"Als Pendler muss man trotz allem eine Lanze brechen, denn Verspätungen beruhen auf Schikane. Wer weiß, vielleicht wäre Gabriel gewesen", fügte der Prinz Krüss bitter hinzu. Sie hatte früher arme Teufel verführt. Doch heute wurde ausgewechselt.
"Ich habe mich zu einem gottverdammten Frauenherzen gemacht!" Er staunte über seine Vergesslichkeit.
"Das weiß ich nicht. Und jetzt lass uns einmal im Kreise hören. Es ist wohl starker Tobak", machte Prinz Rolander seiner Brieftasche vor. "Zahlst du?"‚ wandte er sich an seinen Freund. Aber der hatte leider ein Loch vom letzten Groschen.
Es schmerzte Erinnerung. Demütigende Behandlung und Enttäuschung versenkte man in ein halb volles Glas. Jeden Tag las man ja auch über Flüchtlingsströme und Schwierigkeiten, Herr zu sein. "Frieden!", rief ein attraktives Skelett auf. Vokal-Atmung sei eine lntonation ohne Herzinfarkt. Die Stimme werde geklärt und fördere die Elastizität.
"Aber der Ring muss doch ein Vergnügen wert sein! ", rief Rusty, während er einem abgehalfterten Nibelungen nach draußen folgte. "Ohne Gabriel ist er mir nur irgend so eine Brunhilde.", erwiderte der Prinz ungerührt.
Rolander war mit Anke Schlupf genau so befreundet wie ihr Mann.
"Eigentlich bin ich gekommen, um zu klagen", stellte er mit einem wehmütigen Lächeln fest, während Anke nachschenkte. Es duftete bitteren Kardamom.
"Aber nun will mir das plötzlich ein Sinneswandel sein." Sie bückte sich, um unauffällig einen 50 - Euroschein aufzuheben und in ihre Krokodilledertasche zu stecken. Glückwunsch. Die anderen Länder lehnen sich zurück und lassen alles die Amerikaner ausbaden.
"Es muss irgendetwas vorgefallen sein."‚ meinte die Musiklehrerin nachdenklich. Prinz Rolander zuckte seine müden Schultern. Es roch nach dem Motto der Woche: Patchouli auf Amaranth. Hier stand wohl ein Esoteriker in der Schlange. Eine schmale Furche verabschiedete sich aus seinem Gesicht. Er konnte Zeit nicht wirklichen.
Der Prinz hörte Anke an, als wüchse ihr ein Pinocchio - Zinken, nur weil sein Blick ins Dekolleté gerutscht war. Sie lächelte und rührte. "Dass Männer denken können! Wenn Prinz Rolander für Gabriel Rusty Schlupf war, bedeutet das auch, daß er ein verdammt gut aus sehender verheirateter Mann ist." ,wandte sie sich mit gutmütigen Spott an Rusty. Der Wasserdampf in der Luft hatte die 20-fache Infrarot-Absorption von CO2, ber sie hatte nicht das Geringste zur Rede gestellt.
"Wovon spricht du? Und wie sieht diese Gabriel Zipf eigentlich aus?"‚ fragte Anke ziemlich unvermittelt. "Verdammt hübsch, soweit ich Rolanders Geschmack einschätze", meinte Rusty eine Beschreibung." Anke sah ihn bewundernd an. Seine Kühltruhe schien nicht von schlechten Eltern! "Sie ist mittelgroß, schlank, dunkelhaarig mit langem, gewelltem Haar und sehr blauen Augen."
Der Prinz nickte saphirblau. "Dann habe ich sie schon mal gesehen. Es gibt Hunderte von Frauen", wandte ihr Mann ein, "die ich in Umständen angetroffen habe. Neulich war da ja ein junger Mann. Aber ein Multikulti kann keine Lösung sein."
"Zuerst eine Frau, dann ein Mann. Wo soll das nur hinführen?" fragte Prinz Rolander leicht gereizt, doch auch dankbar. "Ich habe mir zwar nichts gedacht. Der Komische war jedoch am nächsten Tag in Begleitung einer Frau mit Rusty Schlupf Architektur zu jobben."
„Und jetzt musst du mir verraten, wie dieser Mann aussah", bat Prinz Rolander."Ich möchte weiterhin ausdeutschen." "Na ja, wie ich bereits gesagt habe: Er war mir sehr von ausgesuchter Höflichkeit."
Prinz Rolander meinte neckend: "Anke, du bist ein Schatz! Aber auch ein fürchterliches Missverständnis." ”Bitte. es war mir Vergnügen und Scharfsinn", erklärte Anke. "Ich glaube dumme Gesichter."
Gabriel hatte darauf gehofft, dass Winsel von Schlirff die Situation nutzen würde. Jetzt also war er soweit, ohne Blumen, aber mit einem schmalen Lächeln, als gelte es, Pakete abzuholen. "Ich bin in keiner Weise voll und ganz hinter Herrn Seehofer mit dem Kopf durch die Wand integrieren."
"Mein schönes Kleid, wie sieht es aus? Möchtest du Textilimporter in Bad Salzschlirff werden — oder trägt man immer noch Treu und Glauben?" "Trauer trägst ja wohl eher du selbst ", erwiderte Gabriel. Er hatte sich mal wieder von oben bis unten voll gekleckert. Man musste sich schämen. Gott-sei-Dank war er nicht seine Tochter!
„Wir Schlirffs sind ein altes Geschlecht. Uns liegt die gelbe Melancholie im Blut. Es würde also bestimmt nicht schaden, könntest du unsere Linie auffrischen." Von hinten winkte eine Braugerstenkönigin ein "Hallo, kennen wir uns?"
"Womit auffrischen? Mit Blut oder mit Finanzen?"‚ fragte sie. Winsel von Schlirff zeigte sich witzig: "Mit einem Wodka-Martini, aber bitte nicht gerührt! Und vielleicht auch ein wenig mit guten Himbeergeist." Das machte es schwierig, um seine Hand zu bitten.
Gabriel drehte eine kleine Porzellanfigur in ihrer Hand, es war ein Dalmatiner und sah einem Textilimporter sehr ähnlich. "Ich liebe dich nicht" ‚ erklärte sie ihren Gedanken. Nie wieder einen Mann!
Winsel ironische Miene spürte etwas wie Wahrheit.
"Wenn du ohnehin keinen Mann mehr kannst, ist es ja egal, wen du heiratest. Und in diesem Fall bietet sich eine Vernunftehe an." "Aha, die Spaltung des Christentums auf Theologisch! Warum sollte ich denn überhaupt heiraten? Ich kann ja auch sein! "
"Zu einer frustrierten Singelei würde ich nicht raten. Du bist allein viel spannender." Seine Augen verengten sich. "Und was die Liebe betrifft, wächst die Ehe wie gute Beziehungen."
"Ich bin mir der Ehe bewusst"‚ erwiderte die Romanheldin. Der Textilimporter nahm diesen Bescheid mit einer ehrerbietigen Verbeugung entgegen. Dann verabschiedete er Gabriel und versuchte ein unbestimmtes Rachegefühl. Wenn der Trauerrand auftrug, bräuchte man kein zutreffendes Wissen mehr aber doch ein etwas gesteigertes Bedürfnis.
"Ich habe übrigens Schlirff gesehen. Was wollte er denn?", fragte ein freundliches Knuffen. "Er ist als Heiratsantrag gekommen", erklärte Gabriel. "Und ich blieb vernünftig", rief Strunk Zipf aus. "Oh Gott, Du warst noch heiraten!"
Dann winkte er ab. "Man soll leben, mein Kind. Mein süßer Erfahrungsschatz und Stimmungswechsel!" Und sarkastisch fügte er hinzu:"Im Übrigen wäre ich bereit, zum Textilimporter aufzusatteln. Dann hast du deinen Titel und in die Zeitung setzen wir dann ganz groß: "Neue Chance in Bangladesch!" oder so. Das Zittern ihrer Unterlippe wechselte ins Thema. Nicht schon wieder Liebe!
"Vergessen wir den guten Mann vorerst einmal." Er wedelte vergnügt mit einem Briefkopf. "Ich habe hier etwas viel Besseres von seiner Durchlaucht, Rolander Prinz von Krüss." (Auch Luthers Gott empfand das Tun frommer Werke als käuflichen Aderlass.) Er nahm eine straffe Haltung an. Die Suche nach evangelischen und katholischen Christen als Biochemiker oder Gewerkschaftsbosse war erfolglos geblieben. Aber dieses Angebot!?
"Was heißt da "Kuss?"", fragte Gabriel irritiert. "Ich sagte: "von Krüss". Ein uralter Adel aus der Gesellschaft. Sehr vermögendes Würstchen mit Erbanspruch."
"Aber muß das denn sein? Wir kennen den doch! "‚ wandte Gabriel ein. „Nein ", widersprach ihr Vater. "Er scheint mir unserer Gesellschaft wert. Jedenfalls lädt er uns zu einem festlichen Empfang ins Mogul. Wir sind wieder wer! Wir gehen zu einer cross gebratenen Gelegenheit des VIP."
*
Prinz Rolander tat alles großartig. Das Schloss war Kerzen in Kandelabern, dazu Kammermusik vom Weichei. "Alles sehr stilvoll"‚ lobte Rusty Schlupf, der Anke zuzwinkerte. "Ich finde es gelungen."
Der Prinz schaute ein wenig auf die Uhr. Es war mit Überraschungen wie mit Gästen ohne Limousinen. Man sollte gute Miene machen.
Schlupf flüsterte ihm zu. "Großartige Inszenierung! "
"Ja‚ und jetzt?" "Jetzt wird man erst einmal Gäste empfangen und Honneurs", sagte der Geschäftsführer vom herzlichen Willkommen! Er stürzte sich mit einem Lächeln auf eine Herzogin, die sich soeben durch die Tür quetschte.
"Vielen Dank, ihr wunderschönen Kerzen, so romantisch und elektrisch. Und dennoch ganz hell." Sie schaute nach dem Prinzen."Entschuldigen! ", sagte Rusty erhaben. Sie hob wenige Augenbrauen zu diffuser Erklärung, doch Schlupf hatte sich bereits wieder zum festlich gekleideten Anteil des Abends gewedelt.
"Ist sie das?«, flüsterte er, wenn eine junge Frau darunter war. Man kennt das unstillbare Informationsbedürfnis von Intriganten. Der Spiegelsaal füllte sich zunehmend. Doch die Gäste ließen warten.
*
"Gabriel, ich muss Empfang." Strunk Zipf ging auf und ab vor Kreuzschmerzen, doch Gabriel hatte sich geweigert, Wiederbelebungsversuche vorzunehmen. Mittlerweile saß sie mit Bierchen nass aber unerschrocken und einem kleinen Topf Schupfnudeln.
Sein Zorn wurde mild, wenn Gabriel irgendwie frau aussah. Sie hatte allen Grund, zu sein. Und das blaue Abendkleid stand ihr ausgezeichnet. Fünf Tage durften die Knorzheimer nun feiern. Und das beste daran: Neues fand Zuspruch. Gabriel warf dem Geschäftsführer einen Blick zu, wie mit silbernen Sandaletten. Kurz darauf gingen Wege davon.
Gabriel mochte sich keinen Empfang verderben. Prächtiges Schloss und fürstliche Limousine hoffte sie inständig zu sein. Die Wunden waren immer noch "frisch wie ein Spiegelsaal," flüsterte Anke ihrem Mann zu. Dieser nahm gerade den Hut eines Zeremonienmeisters und verkündete laut: "Herr Strunk Zipf mit Tochter Gabriel."
Im selben Augenblick öffnete sich eine Flügeltür am anderen Ende des Saals und ein festlich livrierter Textilimporter mit weißen Handschuhen und einem silbernen Tablett kam direkt auf die beiden neu gemeldeten Gäste zu.
Gabriel spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß, und der alte Zipf bekam den Kopf eines Schlossherrn von der Dreistigkeit eines Champagner. Er schaute auf Kristallgläser, den Inhalt traditioneller Welterklärung. "Was für ein Charakter. Ein Faulenzer von Format!" Wer war nur dieses rote Gesicht?
Prinz Rolander verneigte sich bitter. "Sie wünschen, seine Durchlaucht zu sprechen?" Er schnippte mit der Flügeltür, und ein als Geschäftsführer aufgemachter Feigling trat daraus hervor — diesmal allerdings der echte. Seinen Arm trug er in der Smokingjacke. Das war kein Hausherr mehr.
"Was soll dieser Mummenschanz?", fragte Zipf, Mutter einer dreijährigen Tochter und einer unbekannten Anzahl von erbberechtigten Söhnen. "Ich bin Kinder." Er griff nach Hand und Verlobung. Sie dachte: "Energiebedarf. Und Rolander Prinz von Krüss."
Nützlinge klatschten Beifall und man brachte Zipf einen Stuhl, damit er sich auf die Überraschung setzen konnte. "Gut inszeniert, was?," fragte Gabriel. "Doch hätte ich noch eine Frage: Weshalb wurde der Prinz zu einem proletarischen Bluff?"
"Das ist einfach ein Freund", erklärte Rolander wohlbekannt." Der echte Rusty Schlupf ist übrigens unsere gemeinsame Frau. Warte eine Sekunde, dann werde ich mit ihr auf den Kinderspielplatz gehen." "Aber woher kennst Du Begeisterung?"‚ fragte Gabriel von einem Erstaunen ins andere. Prinz Rolander küsste eigentlich zärtlich. Aber wer war dieser von Schlirff eigentlich, der da so dick intrigierte?
"Wie sehr du doch bist," schalkte Gabriel immer noch ein klein wenig verärgert und geblufft. Der Prinz sah sie leicht erschrocken vielleicht doch nicht küssen. Aber ihre Augen lächelten auf Händen.
"Glaubst du mir endlich?", erkundigte sich Winsel von Schlirff wortlos zu harmlosem Familienglück, braunhaariger Frau und Kind. Allerdings denke ich, dass das hier Beweis genug war. Denn selbst die „Power-Rock- Party" fand Zuspruch.
Für regungslosen Ablauf sorgte nun die Feuerwehr. Den Schlusspunkt setzte die Dorfjugend.
Nur der Gesangsverein beschäftigte die Zukunft. Gabriel nickte: "Ende gut, na gut."
Seltsam? Aber so stand es geschrieben.
29.9.15
Zwiebelkuchen, Schwefelkuchen
*
Die Schmusikerin beim indianischen Seelentanz
oder die Rockshow am Dudelsack.
*
Zwiebel-
oder Schwefelkuchen,
Lichterlust
im Labyrinth,
Wo
Lederhosen Pilze suchten,
Tanzen
Ahninnen im Wind.
Ins
Sörgenloch die Pilger wallen,
Es schnarcht
im Meer Gelassenheit,
Jingeln
bellen, Weise lallen,
Breit
aufgestellt zur Ewigkeit.
Putin,
Orban, Erdogan,
Lachen sich
die Zukunft schön,
Sandler
unterm Größenwahn,
Froh in
eigne Gräber gehn.
Klaus
Wachowski 29. 9. 2015
18.9.15
Unkenrufe
Wie
gering ist doch all die belebte und gelebte Ewigkeit, Sehnsucht und Liebe gegen
den Verlust! - Der Buddhismus legt den Verzicht nahe.
Was
aber ist der Verlust gegen das Verlorene?! So versuche ich dennoch der Ewigkeit
dankbar zu leben.
*
Für
den einen ist es ein wohltuendes Lächeln, für den anderen eine Tafel
Schokolade. Treffende Sprüche, liebevolle Illustrationen, spannende Tests und
bewährte Achtsamkeitsübungen helfen. Wo greifen die Urinstinkte der Eltern, wo
eröffnen sich verblüffende Einblicke ins pränatale Universum? Wie kann man
diesem so wundersamen Ereignis alle Emotionalität zukommen lassen, die es
verdient? Und was ist Glück überhaupt? Da locken Meditationsreisen auf
befreiende Wege ins Innere. Erkenntnisse erscheinen.
Entscheidend
zeigen sich übersinnliche Fähigkeiten, dank derer man Wirkung und Frequenz
visuell sehen kann. Ja, was genau ist Glück? Erstaunlich? Eine Premiumintention?
Mit Methoden werden Ängste und Blockaden gelöst, persönliche Beziehungen
programmiert, äußerst erfolgreiche Methoden für ein harmloses Miteinander
vorgestellt. Ein buntes Potpourri an warmen Hauptgerichten aller Art. Alsbald
bringt Mutter Erde Wohlbefinden und Gesundheitsprophylaxe auf den Tisch, jeden
Tag steht etwas auf dem Speiseplan. Schließlich stellt sich die Frage :"Wo
geht's hier zum Wunschgewicht? Oder gibt es gar ein Wesen, das uns freundlich
in die Arme schließt? "
Wissenschaft
und Medien treiben Keile in Säulen. Aber Berichte zeigen, dass die Welt Wege
findet, sich den Menschen auf Erden mitzuteilen. Dies ist eine Zeit der Tiefe
und Erfüllung. Göttinnen tragen den Kerngedanken der Philosophie in sich:
"Liebe Dich selbst!"
So
steht s in der Hugendublette vom "Mir geht's gut."
Mir
geht's eher weniger gut. So schreibe ich mir eine fröhliche Welt aus dem
Blickwinkel des Deideiskops.
Dazu
Fab Skullmann: „Gerade anhand des Nibelungenlieds müssen wir über
Ausschreibung, Absprachen, Vorteilsnahme, Unfähigkeit und natürlich auch über
die Urthemen Liebe, Rache, Gewalt reden, über Schicksale im Doppelband. Ich
möchte herausragende Narzißten, Langweiler, protegierte Flaumacher, gedopte
Spoken-Word-Poeten, Zen- und Flopgiganten unserer Gegenwart bringen, einen
Programmnamen mit Party. Denn man muss Zustände und Tänze als Leidenschaft so
verstörend erkennen wie Publikum. Ich bin eine wunderglückliche
Künstlerpersönlichkeit zur Uraufführung.
Bei
den podologischen Festspielen Bayreuth findet man es aber peinlich. Gumernanz
brüllt. Die Feuerwehr Ochsenfurt hat den Wurstkessel ratzeputz leergefuttert.
Die
Schaumsprudlerdüse getränkt mit Wundern,
O
wunderbarer Automat der Muschel.
Er,
der das neue Gemetzel geschrieben hat, wird Lenz lesen wie Libanon. Er
flüchtete Debatten und relevante Gotteskrieger um Schuld und Form des Weibes.
Sie führten nach Meinung von Leserbrieflern schon jetzt die Sharia ein. Schläft
aber das Schweigen in Wolken, weiß nur noch die Frau, was einen Riesling
überzeugt.
Wer
gerne Weine trinkt, sollte schön ausbalanciert als blumiges Bouquet begeistern.
Mit einer mineralischen Note, einem Abgang und einer gut eingebundenen Säure
bleibt man durchaus lagerfähig. Auch künstlerischer Stillstand bei fulminanter
Umtriebigkeit jenseits klassischer Lustbefriedigung kann da den Klangtaumel
kaschubischer Operettenentgrenzung nicht verhindern, sei die grasse Plumpheit
des Weltpartikularismus noch so gewichtig.
Die
Folgerichtigkeit beginnt mit lockeren poetischen Rhythmen - einer Bilanz oder
einem Gedicht nicht unähnlich. Da hilft dem langen Gedicht die Etablierung der
Kosaken-Flöte. Es geht dennoch stets auch um die Kutile, sich zuzuneigen. Kurze
Gedichte kommen in derselben Lyriker-Pflanzschule zu Hartz IV-Schlüssen. Alles
auf den braunen Mob zu schieben, schien also simpel.
„Die
schlaffen Laffen" stehen schon seit 2010 auf den Bühnen in Würzburg.
Einmal im Monat bieten sie einen Schwiemel-Shop an, bei dem auch Anfänger ihrer
Kreativität lauen Lauf lassen können. Action awake! Hier ist der Schauspieler
gefordert. Spontaner Gesang wurde Klavier und veranlasste Akteure zu Einlagen.
Einmal in die Welt gesetzt, entwickelte die Kreatur Eigenleben: Ein
gigantisches Saurier-Weibchen brach unberechenbar Reißaus.
Im
Gegensatz zu Distanzierungen ist körperliche Nähe sofort da: Man kennt einander
vom heißen Liebestrank auf Bühnenbrettern. Aber ob empörte Frauen aus der Müsli
- Zone oder männliche Opfer: alle kommen im zweiten Aufguß unter verschärfte
Beobachtung von Wagnerianern.
Begeisterte
Kuttenträger und üppige Badenixen wandelten wie tausende barrierefreier
Psychopathen auf den Spuren des Magiers ins schöne Franken ein. Grün sind die Flächen
der Zeit. Doch herrscht wegen der fehlenden Bewässerung trostloses Braun seit
Jahren. Wenn Lucke eine neue Partei gründet, werden die meisten wohl über Bord
gehen.
"Unser
Progrom ist gut“, sagt ein anderer Beifall. Die ganze politische Arbeit ist fassungslos.
Als Normbürger und gesunder Menschenverstand hatte man angenommen, dass etwas
geschieht. Woher leiten dann die Grünen das Recht her, sich zum Wohl zu
stellen? Die Lubisten in Brüssel haben wieder mal ganze Arbeit geleistet,
milliardenschwere Arbeitsbeschaffungsprogramme für Ärzte zum Verlieben. Schönen
Dank!
Mit
Unworten geht es darum, vollmundige Wahlversprechen zu kaschieren. Lüge bleibt
eben Lüge. Wenn dann Bilanz gezogen werden soll, sollten vor allen Dingen die
Grünen Verhinderer völlig egal.
Empörung
empört. Doch wie so oft: Hohe Wohnungspreise im Henninger Turm widerlegen jede
Logik des Fluglärms. Tropische Nächte haben auf Milliarden verzichtet! - Mit
welchem Recht?
Die
Marke mit eindrucksvollem Bart und Boss war Chef einer gelbstichigen Soldateska
und begeisterte durch süffig-süßliche Honignoten des charismatischen Connor.
Wieder schickte der Workser seine Krise zurück in die Vergangenheit, um Mutter
zu retten, die von Terminator, dem Großen, bedroht wurde.
Wer
dennoch ins schöne Oberfranken landfahren will, ist ganz vorne dabei: Der
Riesling, trocken bewertet und mit typischen Zinsaromen beschrieben, duftet
eine intensive Säure und auch Rauchiges vom Obstkorb. Ein
Preisleistungsverhältnis wird empfohlen. Wie Wanker, Schinzinger, Kluepfel, der
Arzt Ecker und auch die Philosophen J. G. Jakobi, und Sicherer sagten. Manchmal
weiß man wirklich nicht, was und wen unsere Politiker als
"Gutmenschen" akzeptieren.
Das
Verlangen bekam Wirkung. Isolde war jung, Tristan fiel durch und auf als treuer
Scharwenzel: Wer richtig im Kopf und Tenor ist, lässt eben kernig-stählerne
Stimmen erschallen. Und er harft und tanzt und singt, brüchig und rührend, taub
und dement - bei enormem Optimum.
Männer
bringen Wallungen. Als betrunkene Penner betreten sie die Bühne und verlassen
sie als adrette Tänzer aus dem wahren Leben. Am Ziel ist noch lange nicht
Tschüss. Mit einer Polonaise geht's durch die erfolgreiche Optimierung von prozessintegrierten
Kontrollen. Dazu gibt es tafelrunde Trauben und Projekte systemischer
Kontrollaktivität. Zack! Da sind Stimmung und Hingabe, da ist Erwartung, mit
der Pegidosten der Literatur die Kritikerseite konfrontieren.
Literatur
ist nun mal Funktionsikone. Im Monolog des dritten Aktes ertrillerte sich die
Forderung Wagners Gehör, dass Gesang immer Reklame sein müsse und Debakel immer
Gesang im Wundersamen. Die fiebrigen Ausbrüche trieben quasi Verzweifeltes, wie
es auch Rentner Kollo tat, orchestral luzid und schnarchlastig. Der Urvater der
Begeisterung umarmte einen Baum und traf danach ohne Scheu Internationale
Weinwirtschaftsstudenten zur Blindverkostung.
Und
wo bleibt der Rheingau? Im vorletzten Lutsch wurde der Tagessieger
ausgeschenkt, der alles von Allen wurde. Der Wein ohne Nennung sorgte für Überraschung
und QbA von lrkutsk nach Wladiwostok mit einzigartigen Erlebnissen der endlosen
Weite.
Sprachgewaltig
und feinsinnig geht es bei Nibelungen-Festspielen mit psychologischer Tiefenschärfe
ab. Der Eintritt öffnet einen exklusiven Raum im Jenseits der großen und
düsteren Soloszenen. Im Rahmen einer kurzen exklusiven Lesung werden exklusive
Einblicke gegeben.
Preislich
wurde dieser Wein falscher Zunge um ein Bonbon geschlungen. Ein Blick ins
Einschlägige zeigt immer das eine oder andere. Mal trifft man sich am Hafen zum
Erbrechen, mal zur Krimi-Lesung mit Weinpräsentation.
Jeder
Einheimische hat mal Spätburgunder zur Top-Begeisterung. So wird Hoffmann zum
Zerreißen gespannt und ein kunstbeflissenes Opernpublikum obsolet. War da nicht
eine tragische Verwicklung im Umwargeln?
Übrigbleiber
und Nachzehrer wollen ja niemals egal, wenn das Licht angeht. Das heilige Lied
summte. Wir küssten ratlos Nagasaki-Lippen, denn das Kussbesiegeln am Abend war
als Blöße der Überloderung sozusagen auf die Knopfleiste routiniert. Ein
gigantischer Kampf. Am frühen Morgen schließlich erbrach man sich in den
Eingeweiden, wo Vorgesetzte wertlos und veraltet sind. Trutz zieh die Edelfrau
der Lüge.
Hier
rief Frauenpflicht ins Gegacker von dreißig oder vierzig Hennen, die ihre zum
Lichte strebenden Eier legen sollten, ein Zustand, in dem man die Welt nicht
mehr begrüßt. Das macht Laune. Das ist witzig. Man fand aus Lachen und
Erbrechen nicht mehr heraus, da man heutzutage mit Tomate, Cheddar und Pommes
auf die Qualität eines Serienfrühlings setzt.
Die
Heldenschmiede schickte unwiderstehliche weibliche Waffen ins Rennen. Mit einem
cooI-eleganten Nostalgielook und tollen Fingernägeln braucht man sich nicht hinter
Blockbäckern aus dem Hause Marvel zu verstecken. Die taffe Frau aus der
Männerwelt war fulminant behauptet.
Im
totschicken Zusammenhang der poetischen Alterungsprozesse war das ein Gewinn.
Da geht der verbale Affekt nicht Sexualität: Der Weg, und die Behutsamkeit
waren eine Meinungsumfrage.
WohI
verhilft das Auswuchten von Syntax zu gesellschaftlich-politischen
Verhältnissen, aber wir schreiben das Jahr 1946. Männer tragen Fedora, Frauen
Nylonstrümpfe mit Naht und Sexismus. Seite an Seite mit Captain America gleicht
die Stellenbeschreibung nun einem Seele baumeln lassen. Auch Würzburg hat
Ziele!
Dabei
denkt die deutsche Politik schon wieder an Griechenland Angst diskriminieren.
Man hohnlächelte: Griffige Würste trafen sich zum großen Finale im Gewölbesaal.
Im ersten Stock des historischen 19. Jahrhunderts wurden sie in integrierten
Bullshit-Küchen zubereitet.
"Es
geht um Salat.", war der Ruf der Gurke. Das war Aubergine, rot und gelb,
Paprika als luftgetrockneter Ziegenkäse und grobes Meersalz. "Das Dressing
schmeckt wie ein Argument," war der Kommentar. Neben Flora und Fauna gab
es auch die Möglichkeit, mit Eingeborenen zu sprechen. Man lernte Gastfreundschaft
von honnetten Jungen. Dressing mit Ziegenkäse hinterlässt eben Eindruck.
Unter
Vorwänden gelang ihm, sie in alle Arten von Disco, (z. B. Sport und Literatur)
einzuwickeln. Tatenreich & gedankenarm kann man schon mal Kummer bekommen.
Erst lachte man wohl ein Bößchen. Doch dann stieg müde Schlafsucht auf.
Selbstverständlich
war er nicht so romantisch, von Sex zu träumen. Sie waren nicht wie Mäuse
kopulieren, Tuberkulosekranke von sexueller Manie, König eines Harems oder
Soldaten der Machete masturbieren. Denn zum Glück ist der Mensch nicht jeden
Augenblick Gefahr oder Trieb. Doch im Kampf übernehmen die Urinstinkte das
Geschlechtspanorama. Und das ist wohl auf eine verrückte Weise irgendetwas.
Liebt
unsere Kanzlerin Rosen, dann denkt sie wohl an Inflation: Da sind Deutsche aus
Bautzen. Und daß manche bayerischer Herkunft sind, hört man ja schon am Kini
Plemm-Plemm! Halleluja und Gottbefohlen.
Wer
hat schon Gedichte geschrieben, die vorliegen (eine Sendung im Wesendonckschen
Rundfunks vom August 1967)? Junge amerikanische Lyriker zwischen Pound und SUV,
konnten Kurse heizen. Es gab aber seit je auch die andere, die verkürzte
Perspektive der Wortgesten poetischer Harfen. Man vermisste die
politisch-geselchte Beziehung, die Kenner in Gedichten finden.
Zwischen
Gegenwart und „Gemetzel“, gleichsam poetisch und politisch, beginnt ein
berüchtigtes Fest. Was sollen all die alten Geschichten von Siegfried und
Kevin? Ortlieb will genau wissen, was den letzten Einakter komplimentert.
Solche Stücke haben es, trotz eskapistischer Sujets der Schönheit, nie richtig mit
gestörten Geschäftsbeziehungen zu tun; vielmehr gibt es Aspekte. Vermittelt
werden Entwicklungen auf cross gebruzzelter subtiler Tiefenschärfe. Der Autor
streicht das Finale bis ins hohe C.
Im
Jahr 1984 angekommen, ist allerdings alles ganz Konto überziehen und Angehörige
anpumpen. Plötzlich sind da letzte Tage der Zukunft. Kann man den Terminator
nullen?
Intentionen
fanden Klangfarben und Tristan erlitt schon in den ersten Phrasen den Tod. Die
Studioaufnahme unter Papparazzi diente eher der Ehre von Pläsir Dongo. In der
besten der Wagnerwelten wüteten jetzt Pultsteher.
Heilige
Schlupfjagd! Kommilitonen wurden in einen umfangreichen Store-check über
önologische- und sensorische Merkmale informiert. Man schwang sich zum
Euroretter auf. Danach ging es zum spannenden Teil – der Verkostung.
Ausgezeichnet
disponiert sangen Visionen, die für den gesunden Rattenverstand von totalem
Realitätsverlust zeugten, mit natürlicher Glut und zugleich mädchenhaft
lyrisch. Und dann gaben die Versuchspersonen ihre Overalls ab, wurden fast zu
Menschen.
Es
gibt viele Fotos, auf denen man rüberkommt wie das Fortissimo lavaglühender
Textbrüche aus Tönen im Ambiente wunderschön. Von amourös bis sinnlich, von
Besinnlichkeit bis Heiterkeit ist dort alles perfekt. Mit Treuepunkten geht es
um die Welt und beim Gestalten eines Mandalas mit Pastellkreide kann sich
Selbst-Bewusstsein einstellen. Selbst Autoren bedanken sich für Weinpräsente.
Der
aufmerksame Zuhörer, ein doppelzüngiges Zischen der Illusion, betrübt die Schicksale
von Lyrik und Prosa und erschwert Dichtern den Weingenuß. Isolierung braucht
Weihwasser im Liebesfluß.
Zunächst
ist Fleischwurst einmal spitze. Jeder Metzger bringt seine individuelle Pleite
ein, die sein Produkt unverwechselbar macht. Alle Würste werden exklusiv
bewertet. Gewisse Randersacker haben sich als Fleischwurstexperten geoutet.
Unglaublich!
Warum respektiert man nicht den griechischen Volkswillen? Jetzt beißen sie auch
noch in die Hand! Von Politikern verkauft beweist Actionlegende und wahrer
Terminator Sarah Connor, dass sie Leinwand kann. Superlative mit Zwinkerhumor
und atemberaubenden Spezialeffekten in 3D blockbustern ins Reset als Resümee im
Ergebnis.
Orchester
und zwei tenorale Dreamweaver kollern ein Fest der Stimmen, Strauss-Rausch,
Erfolg. Man erinnert sich gerne an ausgezeichneten Wodka. Es folgt Beifall und
Stehen ohne Ende und die "New York Times“ deklamiert das Beste überhaupt.
Dort
locken zum Ambiente täglich wechselnde Exegesen und Weine. Betriebe erhalten
die exklusive Chance, sich dem exklusiven Festspiel- und Fernsehpublikum zu
präsentieren. Wer möchte, kann sich erst einmal die Gehälter exklusiv erhöhen.
Erst leistet man sich den Wehrdienst, dann geht's zur Verkostung. Vanity begins
at home.
Brunhildes
angstvolle Augen zwangen die Glut ihres Herzens in ein Himmelreich. Flüsternd
begannen flehende Lippen zu strömen. Dann machte sie einen neuen Versuch, sich
zu entledigen. Aber die Erde war am Boden, murmelte der Mümmelgreis.
Unzählbar
summten Immen und Hummeln, man gaukelte wohlig durch Moor und Erde, wollte sich
rein und wolkenlos in die Glocke des Himmels legen und verschlang insgeheim
doch den Geruch der Leviten.
Alle
waltenden Natur-Gemüter sahen, was war: das Dach, das Himmelreich und die Ferne
der Morgensonne im Schwung des Geschorfs. Tränen fielen in Worte.
Und
sie bewegte die Hände in den Pemellen. Unter ersticktem Heulen drückte die Magd
ihren Kopf in die Stille debattierender Worte. Lateinisch redende Ärzte, das
Klagen der Frau und die zur Ruhe mahnende Stimme des Trutz verschränkelten
sich.
Unsterblichkeit
als biologisches Absurdum und soziales Ambiente ist unabwendbar. Andere
scheinen zu sein. So steht es fundiert. Warum sollte man ästhetische oder
kulturgesichtige Probleme lösen? Was heißt schon "Ossie" und was
"Westo"? Es gibt sogenannte Dichter und sogenannte Wissenschaftler,
Vertreter der modernden Intelligenz; sei es auch nur der Name Lederle-Mussorgsky,
mit ausgeprägter Denke. Etwa der Star des Orbanism Vitlatschil.
"Kollert
der Nachtigall Laut
und
das Lachen der Hyänen,
jubelnd
betreiben sie Tod.
Da
singen durch Sand,
durch
Windhosen weinend,
Sahara
und Quell.
O
all das walkende Fleisch,
all
die talkenden Seelen
werden
Muschel und Wasser,
und
Salz im Trikot."
Das
Vokalensemble kam zum schwungvoll - rasanten Abend. Im Auge des Versuchers
lagen masthohe Frauen sich wandelnd und lieblich vor Scham. Verstummt und
verbannt in die Brunst seiner Bräute war der hungrige König der Zeit.
Jetzt
tat sich eine weite Lichtung auf. Spuk lockende Gespenster erschienen im Nebel,
während Tristans treue Gefährten sich trollten. Eine bunte Mischung vom
Feinsten würzte die familiäre Atmosphäre in wachsender Raserei.
Und
was ins Meer geht, geht an Land: Gischt, Wind und Austernköche. Der Donner von
rosafarbenen Korallen nimmt Zeit als Mutterwort. Löscht die Geschichte
Kreideschrift und Landschaft, kommen Deutsche.
Ein
Mob zerschnitt den Beifall, mit dem Chaoten Wände schmierten. Das
Lumpenproletariat im Münchner Keller stieß unartikulierte Laute aus.
Erleichterter Phrasen furchtloser Zorn sah in Kontrollen den Fluch. Aber ein
eindringlicher Sänger erschütterte glutvoll im Liebesduett.
Der
Regisseur legte Messlatte nach Messlatte in punkto Spannung und Effekt bis zum
Meet and Greet der „Knicker Crimmitschau". Der koproduzierte
"Polski-Shop" verband das Russische mit dem Politischen. Das ist
Leidenschaft und Erfolg eines Heimatlandes. Ein authentischer Blick in die
russische Seele wie eingetrichtert. Es geht immerzu um ein Quiz pro quo, um
fließende Vexiere, wo expressive Wucht unter dünner Haut lauert.
Rauhe
Archetypen aus den Klangwelten des Balkan formulierten radikalthematische
Avantgarde fern der Folklore. Man stellte sich dem Publikum, ließ geölte
Violinen und struppige Landstreicher ungleichen Klang zerstäuben. Vogts
sportlich-kranker Lohengrin schob sich munter und possierlich unters
Rattenvolk. Im pastellbunten Feierabend eilten blumig bemützte Damen zur
TanzquadrilIe allerliebster Rattenschwänze. Rosa Mäuschen gaben Brautjungfern
die Prostration, bis namenlose Lichtgestalten in dunkle Insolvenzen zogen.
Der
Tenor, ein unerreichter Lohengrin. Knabenhaftkörperlos und machtvoll zugleich
gewann er lyrisch süße Farbe. Die Stimmung mischte sich ideal mit dem
dachsweichen Sopran eines Geschäftsführers. Und Frustrationsbelletristik kam
der Erwartung nach.
Schwer
zu verstehen verlangt es Tenöre nach Heldenfach und Sopran. Isoldens Flop
musste also ausfallen. Statt Weihwasser gab es kalte Regie, die aber das Publikum
ungetrübt beherzlichte: Eine sakrale Note wurde nicht vermisst.
Blicklenkende
Räume erinnerten an kundige Hirn-Friseure wie Kubricky. Vor allem ein gewisser
Handkes war wieder einmal aufgefallen. Erheblich mehr im Klim-Bim des Tones als
mit Blamagen des Imperfekts.
Im
Symbol des Künstlerischen müsste man der permanenten Revolution schöpferisch
die Frage stellen, ob alles Elend nun mit anstößigen Fragen schrecklicht: all
die Hornochsen und Paragrafengeweihe mit ihren Links-Rechts,
Rechts-Links-Verweisungen auf Motive.
Von
Szene zu Szene steigerten sich die Identitätswechsel zum wahren Irrenhaus der
Assoziationsschuster. Es war, als blickte man in ein Deideiskop.
Trutz
lächelte in Schmerzen. Das Schnürlein war gerissen und die Party trieb seltsam
ausschauende Quallen. Es erinnerte an Würzburger Schwabbel-Bäuche. Ein Schatz
ausschließlich von Spitzenwinzern: Es dünsteten köstliche Kreszenzen - zum
Lusttrinker und auch zum Experten hinauf. Ein brüllendes Gelächter von Weib und
Kind und heiter zuckendem Bauernburschen.
Die
Fachjury setzte sich auch dieses Mal wieder aus Fleischwurstkennern zusammen.
Andere waren Novizen mit Wurstsachverstand und orthographischer Ausprägung der
Geschmacksknospen. Wonnegefühle erstarrten zu Lügen, wie sich der
Fleischwurstkundige Fiksel, der Igitt der Flöte gut vorstellen kann.
Wer
liebt und Tänze will, hat zwar Stand. Doch würde seiner lyrischen Lockung auch
Eleganz zuhören? Und wer trat nach Chören und Nebenpartien endlich an die
Rampe, in Gestalt des begnadeten und unverwüstlich leuchtenden Wagnersängers
Broiler? Ein anderer Siegfried. Kraft und Saft bierglücklicher Jugend.
Gesetzt
waren anfangs nur wandernde Dachdeutsche, die sich über den dritten Stock einer
alten Mutterfabrik auf der 6th Avenue finkelten. Sie lebten dort zwischen
Gewohnheiten und Brathendl, wurden aber aufgrund von Zumutungen erkannt,
klafften ins Leere, sausten in die Bikollen hinaus.
Zwölf
Jahre später war nun die Zeit gekommen, das "Projekt Fleischwurst"
erneut anzugehen. Der neue Test fand in der Woche des Geschmacks statt. Dylan
Thomas kam besoffen vom Söller und als Hölderlin auftauchte erhob sich ein
ohrentaubes Geflatter in Luzifernen. Unter Vogelkostern zerfiel das Wunder vom
Stern.
Liegt
Venus in Ruinen der Sinnlichkeit, lockt der Chardonner ins Dunkle. Immer lebt
wohl das Fleisch und Fischerchöre drehen Begierde. Die Szene war versammelt.
Baß von rechts und simpelnde Harfe diskutierten echt wienerisch Tradition und
Revolution, Ost und West, Poesie und Prosa und Kunst, Bionade und Tod. Unsere
einzigartige ideologische Willkommenskultur trug Früchte einer von
Staatsangestellten betriebenen Fünflingspolitik.
Der
Wanderpfaff besalzte mit viel Stil einen Bäriander Schinken. Brunhilde fühlte
den brausenden Lufthauch heiter ums Herz. Der Jäger im Heidekraut rieb am
Unterkiefer wie ein Nussknacker, sah Pegiden des zweiten Prekariats auftauchen,
Schoß und Schenkel: Aus der Weite besehen, war's zierlich. In der Nähe bot man
den Anblick menschlicher Erscheinung. Das Kleid saß Falten, die Zöpfe
schlotterten und machten Tanzbewegungen wie irrsinnige Vögel.
Andererseits
wurden "Richtigkeit" und "Schönheit" von keinem Marxisten
bestritten, so jedenfalls Crzystof Zirps, der meinte, daß das Prächtige alle
Attribute des Oralen besitze, während großes Latinum und Kunst banale Synonyme
seien.
Eine
wundersame Frühe schimmerte um die mächtige Linde des Edelsitzes und umfunkelte
die steilen Giebel, ein idyllischer Anblick für Lustreisende ins 19.
Jahrhundert. Dunkelblaue Schatten und gleißende Sonnenflecken woben einen Rasen.
An der Minigolfanlage zeigten Zinnen strahlende Säume, und Solardächer
blinkten, als wären sie belegt mit goldenen Plattituden. Der Grexit war vom
Tisch.
Wagner
schilderte die Menschwerdung. Das Übersinnliche im Eros, prachtvoll wie ein
Rudelhierarch, erzeuge Hilfe suchende Schrei- und grüßende Stöhnlaute.
Andererseits habe auch das berühmte Hyänenlachen seine Funktion. Es sei aber
keine Unterwerfungsgeste, sondern Stressabbau der Nahrungskonkurrenz bei Bäcker
Bonz, einem luxemburgischen Steuerpächter.
Drinnen
herrschte Weltgeltung: Prekarier mit Figurinen, eine Schlange des Apple Store.
Die literarische Samenbank ersetzte die Vaterschaft einer Retrospektive.
Trist
von Wagner ist seit vergangenem Sommer "Priorität Dunkelfeld und Präsenz
im Vestibül zugleich", erklärt die Vergangenheit. Übersichtlichkeit und
Usability wurden vervielfacht und jede Menge Flyer ausgeworfen. Waalkes spielte
auf zu Ovationen, authentische Ostfriesenkunst faszinierte mit Punktlandungen.
Ein Schicksal verschmolz atemberaubende Unschuld vital mit unwiderstehlicher
erotischer Ausstrahlung bei Heiratsantrag en der Legokultur. Man kultivierte
lyrischem Ausdruck und Klangorff aus allen Stimmungsgruppen holistischer
Valeurs - so almiodisch, wie große Orchester summen, wenn man sie auf
erwartungsfrohem Parlando ans Ohr hält.
Da
war eher Biedersinn als klagende Sehnsucht. Er küßte inbrünstig das umgedrehte
Wunderwerk des Fräuleins. Vieles konnte der Literaturpreisträger nicht fassen.
Neu
war die Verkostung auf dem Theaterplatz. Hier sagte der Meinetwegen: "Das
verfluchte Wasser rinnt aus meinem leeren Hirnkastl hinaus." Die Faust
preßte sich wie eine stählerne Klammer um einen nassen Fuchs. Und unter
wohligem Seufzen memorierte eine wulstige Stimme Westfalenhaftes der Droste.
Der
Holzhumpen schwappte und schwappte. War hier Geisterspuk im Spiel? Gab es ein
Weibsbild, schlecht und gerecht? Oder waren da weltanschauliche Grundsätze?
Eric Lomax lernte liebenswerte Krankenschwestern kennen. Gottes Golfball trifft
in jedes Herz.
Sie
waren unaufdringlich angetan und heirateten aufeinander zu. Man sang seltsamen
Kirchentag im Zentrum der Geschichte. Das Korn schäumte im Sein, kalt wie ein
Schoß.
Es
war ein schwer zu beschreibendes Stimmengemisch, quasi privat am
national-liberalen Party-Flügel. Der Schock von Essen verlieh etwas
unpopuläres. Denn auf höchstem Niveau schwolg eine entfesselte Aufführung mit
geradezu soghafter Intensität, die beim Flundern nur selten erreicht wird. Dazu
das düstere meditative Werk, schlank und trocken im dunkel-expressiven
Deideiskop. Sänger bereiteten Wonnen der Ahnungslosigkeit. Durchdrungen von
einem trompetenhellen Tenor summte Zauber der Zorn-Maske in der Klangschale der
Eitelkeit.
Bonbonfarben
phosphoreszierten Blumenmädchen, säuselten Augäpfel. Die Sopranistin wollte
ihre Mutter küssen; doch neuere Kreativitäts- und Innovationskonzepte wie der
Kuhnsche Paradigmenwechsel oder Harold Blooms Theorie der Flussangst gehören
nicht in solche mythologische „Perspektiven", die auf höchst ambivalente
Weise zugleich die Wucht einer Walküre aber auch die süße Keuschheit und die
koloraturfeste Beweglichkeit des Zen eröffnen. Kurzum: „Daphne“ ist eine
veritable Wagnereinstiegsdroge. Man braucht dafür nur die Demut einer
Wunderstimme.
In
der Spaßecke rührt sich etwas. Eine These begeistert Verführerisches, aber auch
unseriös Komisches: Der Papagei am Wiederholungszwang, der Spiegel am Witz vom
Schenkelklopfer. Schmunzelsinn ist Buster und Checker: Was als Retrospektive
auch Selbstentleerung meint, forderte die Greatest-Hits-Peinlichkeit heraus. Die
Validierung des eigenen Hirns erschien nun doch als Privatkram oder
Sinnhuberei.
Vergessene
Flop-Titanen wie Braun, Schrantz, die Schnöffler, das Tratschorchester
Knabberusch und die Hüspel, Disk von Schock, Frustquängler, Nils zu Gründel,
Bayreuther Mythos, Plubberry und Bush von Karajan - was bedeuten sie einem
profunden Weinwissen?
Trutz
ergoß zuerst nur Zungenworte über die im Denken ein lützel langsamen
Herzbrüder. "Schmarren" sagte der Gastwirt: „diese Kostüme der
Sittlichkeit, Schnitzel und Gesinnung“ hätten Hütchenspieler beim Schluck-Konzert
gepokert und 86 Milliarden über die Runden bekommen. Danach seien Politiker und
üppige Pensionen im Ruhestand eingeknickt.
Orchestral
oder fatal? Die Dreamteam-Partner waren stundenlang ausverkauft, Beifall ohne
Ende, Unterkunft und Verpflegung im Asyl-Klartext. Und jeder, der Steuern
bezahlt, arbeitete voll aus Kulturkreisen. Die Kalesche des Erwartens stürzte
in die Zwangsläufigkeit. Es hagelte kluge Reaktionen.
Die
Tsipras-Truppe mit Schreikindern zu vergleichen, bringt es auf den Punkt. Grau
und donnernd war die Stimme des Predigers. In Argentinien, dem Mutterland aller
Siesta an der Mutterbrust gilt der Vater als Bank-rott. Wie der Aufruhr der
Surrasten, der Futonen und aller anderer Apostel. Und dieser Wahn zündet
letztlich den Widerspruch, der sich selber haßt. Egal.
Flechten
und faule Moose düsterten im Herdrauch. Wo ein Haus war, hörte man kleine
Kinder, Hennengegacker und Schweinegrunzen. Aus den Feldern klang zuweilen der
Schlag einer Wachtel, der Kuckucksruf der letzten Bekassinen und das
Geschnatter streichender Wildenten wie ein Lärm. Hoch im Blau flogen
Wanderfalken wie Habichte. Stieß einer herab, so erklang ein Schmerz.
Immer
versucht man Süßes zu reden, um schreckliche Schläfer zu reiten. Aber
tränenfester Wille verwandelt jedes Zimmer in eine gespenstisch talkende
Flacker-lampe.
Nicht
nur, dass wieder einmal ein Vertrag gebrochen war, auch ein Schlückchen Wein
wäre jetzt nicht schlecht gewesen. Inmitten von Reben würde sich doch wohl eine
Straußwirtschaft finden! Aber man konnte nicht lachen. Der Wind hatte den
Nervenkranz von den Zöpfen geweht und das Reitkleid eng und glatt an die
Schlanken gepeitscht.
Er
schuf ein Werk, das an Faltendichte und Gesamtgestalt seinesgleichen suchte. In
der Epoche nach den Avantgärtnern erschien es im Blick des Filmemachers und
Sozialfalls. Einmalig im verunglimpften Terroristenstaat belohnten
Schimpfkanonaden Milliarden.
Wie
hilfreich ist es, gut auszusehen und durchtrainiert Energie zu entwickeln. Wie
Helden auf Covern von Comics sprang er auf das Problem des langen Gedichts an.
Es führte aus der starren Metaphorik und der knarrenden Rhythmik zu einer
poetischen Konzeption. Der Schluß begann, wo edle Meinung rasch ans Ende kam.
Und Gewichtung gewährleistete im Schwulst des langen Gedichts nicht immer nur
niederreißen.
Wir
haben eine gewisse kulturelle Vielfalt als Tatsache zweier erwiesenermaßen
wissenschaftlicher Liturgien, der Sowjetunion. Da sagen wir Realismus und
meinen Modernismus. Avantgarde sagen wir eigentlich überhaupt nicht, denn
Entgegensetzung ist falsche Antinomie. Die Kunstgeschichte hat nie Revolution.
Die große französische Revolution aber schuf sich einen Assismus.
Wind
legte Narrenkappen über Stirnen und peitschte Ärmel. Erinnern Zitrusfrüchte und
Noten zu Fischgerichten mit Meeresfrüchten tatsächlich an Pasta? Die Handlung,
die im Musikdrama eine innere ist, ging auf im Nirwana.
Im
dritten "Tristan" stellte sich der Dirigiervirtuose dem Vordergrund.
Mit Philharmonikern gigantische Klangkulissen türmend, aus denen Sänger von
fern und nah herbeidröhnten, beschwor er eine somnambule Welt mezzo-timbrierter
Stimmung. Das hohe C war professionell implantiert, die raison dafe' der größte
aller dramatischen Tenöre. Riesenstimmen setzten sich souverän gegen Orchester
durch. Lyrische Phrasen sangen mit kopfigem Klang. Anhänger des Naturglaubens,
die mit ihrer alten Knutsche Achsenbruch erlitten hatten, machten sich die
Bodenhaftung zunutze und verkörperten den rächenden Popanz furiosus mit
hochdramatischer Ätzung. Eine Brautgemachszene begeisterte weniger.
Fischer-Disco
deklamierte Elogen der Ermüdung. Bei physisch wie psychisch reinem Hören der
konzentrierten Extase erschienen einzigartige Stimmen im tiefsten Register des
Beau-Klangs der siechen Tat. Falstaff versuchte den Ton strebender Seligkeit.
Der
Orchesterklang grundelte Seufzer. Die Stimme klang. Der Sopran war ein
Schwingen. Die Fülle und Wärme ihres Tons begegneten in dem baritonal timbrierten
Lusthaus einem wunderbaren Public Privat als Partner.
Formal
aber waren sie alle Pfeifen eines chronischen Wiener Wunders. Der Dirigent kam
als verklärte Bayreuther Aufnahme. Wer hier empfangen wollte, musste bleiben.
Ein
Lungerer huschelte, schnupperte an Waden. »Was ist denn?« fragten verwundert
die Schweiger. Stumm zwinkerte der Verstand. Ein Trunk gluckste aus tiefer
Symphonie.
Und
Eberhard lächelte ein zärtliches Dada. ;
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