15.1.23

Depression in Alzey -Jammelburg 2012

 

Unruhig wälzt sich die Depression auf dem Pflaster des Salzmarkts. Fröhlich knallen die Türen der Familienkutschen und junge Damen laufen in energischen Schritten zur Grundschule hoch, ihren heranwachsenden gesellschaftlichen Aufstieg abzuholen. Allerlei Hundeschnauzen schnüffeln an den Seufzern des Gestern und ziehen weiter. Der Fotograf Gnibs drückt auf den Auslöser.


Was zeigt das Bild?

Am Fuß der Peter-und-Paul-Kirche dunkelt die Heimat nach. Sie führt einen traurigen Kampf gegen die CO2-Emissionen des motorisierten Lebens. Auch hier möge ein Naturpark der biologisierten Erinnerung wachsen.

Grüne Wüsten schwanken in blühenden Kindheiten einer angebruzzelten Ästhetensehnsucht. Es regnet in Pfützen.

Da lacht das Trash-Girl vom Auswanderer-TV. Gelb leuchten stramme Bluse, strammerer Rock, und der Dutt glänzt von Pommes-Frites-Fett. Sie holt sich ihren Vorschuß aufs Wochenende vom Dispo. Wer weiß, woher die zwickenden Lüste auf die Umarmungen eines schweißtriefenden Schwätzers von Macho kommen. Sie sind da und sie will es haben. Jetzt.

Der rußt sich derweil im Promille-Cafe´ die Birne mit Gehässigkeit zu.

Da hinten an der Teufelswiese kracht der Maschinenhammer in den Beton-für-hundert-Jahre. Hau weg den Scheiß, sagt sich der neue Wille, der schon ein Fachwerk bei der Sparkasse umgelegt hat.

Was Erinnerung? Draußen im Altenbunker ist noch Platz. Die anderen aus dem braunen Jahrtausend warten schon. No, die Pflegerin hat noch massig Vergessen im Köfferchen. Bis 70% gabs diesjahr im Sommerschlußverkauf.

Der Baggerführer raucht erst mal eine. Wir reden miteinander von seiner Zukunft, in der auch ein Plätzchen für mich ist. Im Recyceling-Container Damals will er mich ab und zu besuchen, beobachten wie es im Alter so geht.

Ein struppiger Besen wuselt ins Büro herein. Wer hätte das graubraune Mütterchen von 75 bis 85 erkannt? Es ist die Chefin von 1980!- Mann!

Schon hat sie sich den Laptop geschnappt und ist verschwunden. Die Leitungsgruppe klappert verduzt mit den Probiergläsern. Wenn das mal gut geht.- Aber man hat ja nen guten Draht zum Pressefuzzi. Der wird das Schlimmste schon verhindern.
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Aber auch hier läuten Glocken, rufen Vorbeter, geben Vorstandsvorsitzende den Startschuß zum Wettkampf. Auch hier sterben Menschen und liebe Angehörige, auch hier werden Menschen und liebe Angehörige geboren. In Wuppertal und in Berlin, ja. Aber auch in Hammelburg.

Hilfe, das Wir-Gefühl kommt! Es schüttet Kultur. Wolkenbruchartig stürzen Events über die Provinz herein. Wer hätte das gedacht! Es begann doch ganz harmlos mit Rücken-Massagen für Führungskräfte. Jetzt wird ein Stadion gebaut. Nicht lange und Schunkelseminare werden zum Pflichtfach beim BA-Studiengang. 

Wichtige Wichte. Es ist Breivigtag und ein anderes Nichts versucht durch einen anderen Mord die Wichtigkeit seiner Existenz zu beweisen. Menschen sterben, Wölfe werden ausgewildert. Aber was bedeutet die Herrschaft des Gelangweilten, des Phantasten und des Ich-Clowns  über das Leben von Menschen?

Müller meint, Katholischsein gäbs nicht zu ermäßigten Preisen und hängt einen Lappen Ideologie aus einer Billigfabrik über den Bügel Religion. Sieht gut aus. Aber wenn Du es Dir über den Kopf ziehst, reißen die Nähte. Sieht doch nicht gut aus. Der Chef  meinte noch vor vierzehn Tagen, sie sollten sich von seinem Produkt kein Weltbildnis noch irgendein Gleichnis machen, sondern die Sache Liebe  einfach nur unter die Leute bringen.

Unruhig wälzt sich die Depression auf dem Pflaster des Salzmarkts.  Allerlei Hundeschnauzen schnüffeln . Der Fotograf Gnibs packt die Kamera ein. Es muß heute noch in den Torkelspiegel Berlin.

22.07.12

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