21.3.17

Kraft und Schlummer - Collage - Teil 1



Kraft und Schlummer
Vorwort
Was wollen sie, das wir tun sollen?
Aus der Not schwirren Schwärme kruder Gedanken auf, sinken als ideologische Schatten in die Gehirne des Menschengeschlechts, vorzüglich im intellektuellen Segment.
Der Wunsch heißt leben und herrschen. Und Liebe wird Haß. Und Ego chillt in Wurstigkeit. In der VIP-Lounge lallen ausgelutschte Hoffnungen nach Ruhm und Herrschaft.
Zungen brechen aus.
Klaus Wachowski 21.3.2017

Denn Leerheit ist die Art und Weise wie die Dinge sind, im Gegensatz zur Art und Weise wie sie erscheinen.-
Der Moskauer Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre 1922 Revolution und Konterrevolution herausgegeben von Rudolf Leonhard von Kurt Kersten, Verlag die Schmiede Berlin
…-----------und anderes, Sloterdijk, Joseph Roth, schwiemelnder Artamane, Strauß pp

Dr. Smirc am Bett des oniritischen Turgiten: "Zu Beginn der großen Kulturrevolution analysierte der Vorsitzende die wahre Gesinnung von Lin Biao und Konsorten. Er schrieb: ‚Ich vermute, ihre wahre Absicht ist es, mit Hilfe Dschung Kuis die Dämonen zu bekämpfen.‘ Neue Ergonomie verbindet heute die Praxis der Alexandertechnik mit bewusster Bewegungssteuerung. Vielleicht gelingt uns die Heilung."
 
DR. Knorke vom Team Alles-wird-Gut weiß es besser: "Im Einheitlichen Feld war noch eine unbegrenzte Menge an Energie vorhanden. Akte der kapitalistischen Ausbeutung ermöglichten die Umwandlung von Arbeitskraft in Ware. Alles war Potenzial. Aber heute wurde die Fähigkeit zur medialen Wahrnehmung energetisch aktiviert. Ein Raum, in dem sich Perspektiven auftun könnten!"
Auf der Rednertribüne erscheint ein großer blonder Mann und erklärt den demonstrierenden Arbeitern: „Das Urteil wird gerecht, wird erbarmungslos sein".

*

Der Vorposten, von dem aus Botho Strauß die Welt ins Auge fasste, war das Bett. Beim Trödeldoc des Polyglott, ging es nie darum, die Kräfte des Rausches und des Traums für die Revolution zu gewinnen, sondern umgekehrt, alles Tagaktive einzusenken in den Bezirk des Traums. Einen langen Sommertag über zogen die Massen russischer Arbeiter durch die Iberische Pforte. Die Stadt dröhnte vom Schritte der Arbeiterbataillone, hallte vom Gesang der Internationale.

Pötzlich kommt die Nachricht: Wolodarski getötet.

Tage zuvor waren ausländische Verteidiger eingetroffen, von der Arbeiterschaft mit Pfiffen begrüßt. Der Führer der II. Internationale hatte das Mißgeschick, als Justizminister Sr. Majestät des Königs der Belgier verhöhnt zu werden, weil er sich im Westlerdünkel erhaben fühlte über die Justizmethoden der Arbeiterrepublik. Die Bolschewiki verließen die Schützengräben der Nation und warfen die Schützengräben zwischen den Klassen auf.

Heilpraktikant Schnürl vom Bodensee meint, Martin Walser hole sich seine literarischen Geschmacksverstärker aus barocken Putten: Goldglanz auf Holz. Der große Vorsitzende aber sei ein Argumentationskünstler im Dienste streitlustiger urbaner Klientel gewesen. Die Lehre vom „individuellen Terror", ein Fundament unerhörter Kühnheit, seltenen Raffinements und Attentat auf Attentat, habe gewissermaßen Symptom-Aufstellungen angeboten.

Wenn wir die Schönheit der miteinander verwobenen Existenz aller Wesen des Universums betrachten, fällt es schwer, zu glauben, dass dies zufällig war. Frauen in dicken Kleidern hockten auf dem Pflaster und verkauften Sonnenblumenkerne. Männer in billigen Blusen, Lederjoppen, alle mit braunen und grauen Mützen, viele Bauern und halbe Ländlichkeit. Soldaten in langen, gelben Mänteln, Milizmänner in dunkelroten Mützen; Funktionäre; alte Bürger, die justament beim weißen Kragen blieben, den Hut noch trugen, ein schwarzes Bärtchen, Mädchen der Liebe, niemals ein Unbeschäftigter, niemals einer, dem man es ansehn konnte, daß er gar keine Sorgen hatte. Jede Belegschaft hielt einen Augenblick an, und rief Worte der Rache hinüber.

Gegen sie standen die Fremden aller Art: die Klasse der Großindustriellen und Großgrundbesitzer, Parteiführer. Aus ihnen waren Außenseiter geworden, aus Menschenwürde Hartz IV! Authentische Bewegung & Tanz, Alexandertechnik, Bartenieff Fundamentals und Authentic Movement begleiteten Selbsterforschungs-Projekte im Nacktschnee.

Durch Loving Heart beabsichtigte die Geistige Welt nun die Aktivierung des vollen Proletariats der Liebe und der Harmonie. Säulenreihen zogen sich zur Linken und Rechten, mächtige Leuchter hingen herab, zahlreiche Männer und einige Frauen, gewaltige rote Tücher, in großen Lettern: „Das Proletariat ist der Schutzschild der Revolution."

Das Reich war in Aufruhr und Menschenleben billig; tschechoslowakische Söldner rückten gegen Kasan, in Kiew die schwarz-weiß-rote Fahne, in Archangelsk Amerikaner und Engländer, vom Ural und Don her Kosakenschwärme, in den Städten traute keiner dem andern. Die Wiedererweckung der innewohnenden Liebe kann eine wichtige Hilfe für ein harmonisches Handeln und Fühlen im Einklang sein. Tage später las man in der ganzen Welt: "Das russische Chaos — Nieder mit den Bolschewiki."

Der Vorsitzender betonte: „Es ist für Leute wie Lin Biao sehr leicht, das kapitalistische System durchzusetzen. Darum sollten wir mehr marxistisch-leninistische Werke lesen.“ Humanismus bedeutete in diesem Kontext: Man blickt in die Antike zurück, um aus dem Fundus Funktionen der Gegenwart zu legitimieren. Schon kniete Sinowjew neben dem Sterbenden.

Da zogen aus allen Bezirken Arbeiter ins Innere der Stadt, um die Mittagsstunde füllten Hunderttausende den Roten Platz. Und auf der Rednertribüne erschien ein Vortrag. Und als das Flugzeug von Moskau auf dem großen Flugplatz in Kowno, gelandet war, rief von weitem schon der deutsche Flugplatzführer: „Rathenau ist ermordet"! Ein Stöhnen entrang sich der russischen Arbeiterschaft: Lenin schwer verwundet.

Eine freundliche geistige Umgebung wurde aufgebaut: der Gerichtshof von Rechten an geistigem Eigentum, das Assistenzsystem für Beilegung von Streitigkeiten, Transformationszentren. Und als der Abend hereinbrach, und die Massen sich entfernt hatten, passierte der junge Schriftsteller die Postenketten, betrat die weiten unteren Räume, in denen eine Kompagnie des Tschekaregimentes untergebracht war; breite Marmortreppen in den ersten Stock: Das einheitliche Feld, Urgrund allen Seins.

An einem Tische mitten auf dem Podium die Richter. Rechts scharten sich 34 Angeklagte, vor ihnen die Verteidiger; hart an der Rampe ein kleiner Tisch — Krylenko — neben ihm ein langer Tisch mit drei weiteren Anklägern: Lunatscharski, Pokrowski, der greisen CIara Zetkin.

Niemals zuvor in der Weltgeschichte war die Stimme der Masse so eindrucksvoll wie in dieser Sommernacht zu Moskau im Prunksaale des ehemaligen Adelsklubs. Das ist der Grund dafür, daß wir diese Epoche trotz tonnenweiser Literatur nicht kennen.

Der Literat nahm sich Zeit für eine Aufstellung. Der Redner ist ja Sophist für das Volk, der Philosoph Personalunion aus König und Ratgeber. Eine alte Arbeiterin küßte die Stirn des Toten, führte ihr Kind an den Sarg: „Siehe - für dich ist er gestorben" und die Männer hinter der Barriere saßen mit gesenkten Häuptern da - allen Blicken preisgegeben, gerichtet, geächtet.

Selbstübungen und Erfahrungsaustausch wechselten. Angerichtet war das manieristische Welttheater auf einer Bühne, dunkel wie das Erdinnere. Es widerspiegelte den Kampf auf Leben und Tod zwischen Proletariat und Bourgeoisie unter der Diktatur des Proletariats.

Die „Oniritti“, Straußsche Wortfindung,- waren Aneignung und Weiterdichtung eines mysteriösen Renaissance—Romans „mit erhöhter Neugierde für hieroglyphische Exzesse“. Herein trat eine Deputation Moskauer Arbeiter, stieg langsam die Treppen zum Tribunal hinauf, ein langer, breiter Mann mit einer fürchterlichen Stimme. „Rache für Wolodarski".

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